Betreff
Mitteilung - Pflegepraxis öffentlicher Grünflächen
Vorlage
2014 0556
Aktenzeichen
872-37-1
Art
M i t t e i l u n g

Anliegende Informationen erhalten Sie zur Kenntnis.

Anlass

In der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Verkehr am 23.01.2014 wurde auf Antrag der Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 12.01.2014 (Vorlage 2014 0544) die Verwaltung aufgefordert, die derzeitige Pflegepraxis der öffentlichen Grünflächen in einer Vorlage darzustellen.

 

Umwandlung von Bodendeckerflächen

Auslöser für den Antrag war die Umwandlung von Bodendeckerflächen in Rasenflächen (Mitteilungs-Vorlage 2013 0486). Bei diesen handelt es sich jedoch nicht um „Hecken“, wie in der Ausschusssitzung angemerkt, sondern i. d. R. um bis zu ca. 50 cm hohe nicht heimische bodendeckende Gehölze, die sich zumeist zwischen Straße und Gehweg oder zwischen Parkflächen befinden (s. Abbildung 1 – 4 in der Anlage).

Diese sind aufwändig zu pflegen, da sie regelmäßig an allen Seiten zurückgeschnitten werden müssen und das Wildkraut nur schwierig zu entfernen ist, was aufgrund des Arbeitsaufwandes nur ein- bis zweimal im Jahr möglich ist. Dadurch sehen die Flächen schnell ungepflegt aus. Gleichzeitig sammelt sich hineingeworfener oder –gewehter Müll, der aufwändig zu entfernen ist und den ungepflegten Eindruck verstärkt. Verschärft wird die Situation durch den Umstand, dass seit 2011 keine gesonderten Kräfte für das Sammeln des Mülls im Stadtgebiet mehr zur Verfügung stehen.

Aufgrund der geringen Höhe und der regelmäßigen Beunruhigung dieser Flächen durch den anliegenden Verkehr (Autos, Fahrradfahrer, Fußgänger) dienen sie weniger Vögeln als Kleinsäugern und Insekten als Lebensraum.

Die Ansaat der Flächen soll mit einer kräuterreichen Rasenmischung erfolgen. Die Flächen werden in einem Abstand von ca. 6 – 8 Wochen gemäht, d. h. ca. 4 – 5 mal pro Jahr. Eine höhere Mahdfrequenz ist aufgrund der Vielzahl der Flächen nicht möglich. Dadurch können sich verschiedene Kräuter entwickeln, die zu wechselnden Blühaspekten führen.

Nachweislich ist die Pflege der Rasenflächen trotz der höheren Frequenz zeitlich deutlich weniger aufwändig als die manuelle Pflege der Bodendeckerflächen. Zudem sammelt sich weniger Müll auf den Flächen.

Der Großteil der zur Umwandlung vorgesehenen Flächen liegt so, dass es keine direkten Anlieger gibt (z.B. Niedersachsen- und Berliner Ring, Marris-Mühlenweg, Am Güterbahnhof), die sich den Flächen so „zugehörig“ fühlen, dass eine Pflegepatenschaft, die sich auch nur schwerlich realisieren lässt, aus dem Interesse einer gepflegten Eingangssituation in Frage käme.

 

Grundsätzliche Gestaltungs-/Pflegleitlinien

Straßenbegleitgrün

Gestaltung

Flächen im Straßenseitenraum entlang von Straßen und an Parkplätzen werden als Rasenflächen angelegt. Bei Neuanlagen wird darauf geachtet, artenreiche Ansaatmischungen zu verwenden, sodass sich zwischen den Mähgängen auch Blühaspekte entwickeln können und Blüten nektarsammelnden Insekten Nahrung bieten. In die Rasenflächen werden, soweit es die Platzverhältnisse und Leitungsverläufe zulassen, einzelne Solitärsträucher und Bäume – nach Möglichkeit mit Blüh- und/oder attraktivem Herbstfärbungsaspekt – gepflanzt. Zusätzlich werden an repräsentativeren Stellen oder in langgezogenen, schmalen Streifen, die keine Bepflanzung zulassen, Blumenzwiebeln eingesetzt (s. Fotos 5 und 6 in der Anlage).

An ausgewählten, repräsentativen Stellen werden in größeren Beeten zusätzlich Bodendeckerrosen verwendet (z.B. Bahnhof-/Marktstraße).

Da die Flächen im unmittelbaren Umfeld der Bäume und Solitärsträucher nur einmal jährlich gemäht werden, um Rindenverletzungen zu vermeiden und zeitaufwändige Arbeitsprozesse zu reduzieren, wird seit 2012 getestet, bei Einebnung der Gießränder (ca. im 3. – 4. Standjahr) eine mehrjährige Staudenmischung anzusäen, um Blühinseln zu entwickeln. Derzeit sind verschiedene Saatmischungen in der Erprobung (Beispiel s. Fotos 17 u. 18 in der Anlage).

Einen Sonderstatus bzgl. der Gestaltung haben die Flächen am Hauptbahnhof/ZOB, die im Zuge der Umgestaltung als Staudenflächen angelegt wurden (s. Fotos 13 u. 14 in der Anlage).

 

Pflege

·         Mahd der Rasenflächen alle 6 – 8 Wochen = 4 – 5 mal/Jahr

·         Mahd im Umfeld von Gehölzen, an Pollern, Gebäudekanten – 1 mal/Jahr

Anmerkung: Im Straßenseitenraum besteht beim Einsatz von Freischneidern, die für die Beseitigung von höherem Aufwuchs an Kanten und für Rasenmäher nicht zugänglichen Stellen verwendet werden, eine erhöhte Gefahr von Schäden durch Steinschlag. Seit kurzem wird ein anderer Mähkopf für Freischneider mit gegenläufigen Messern eingesetzt, der das Steinschlagrisiko minimiert. Jedoch mit der Folge, dass nicht bis unmittelbar an das Hindernis herangearbeitet werden kann, sondern 1 – 2 cm Abstand gehalten werden muss, sodass hier vereinzelt höherer Aufwuchs nicht erfasst werden kann.

 

Grünanlagen

Gestaltung

Bei der Neuanlage größerer Grünanlagen waren in den vergangenen Jahren in der Regel zwei Aspekte zu kombinieren: Naherholungsfunktion und Kompensation für Baumaßnahmen (z.B. Grünanlage am Gewerbepark Nordwest). Daher kommen hier ausschließlich standortheimische Gehölze zum Einsatz. Es entstehen dichte Gehölzpflanzungen sowie extensiv gepflegte Wiesenflächen, die mit artenreichen Wiesenmischungen angesät sind. (s. Fotos in der Anlage). Geh- und Radwege machen die Anlagen erlebbar.

Auch bei kleineren Grünanlagen wird eine abwechslungsreiche Gestaltung angestrebt. Je nach zur Verfügung stehender Fläche werden auch hier Strauchpflanzungen, Einzelbäume und Wiesenflächen angelegt. Bei zu kleinen Flächen bzw. zu schmalen Streifen können keine extensiv gepflegten Wiesen angelegt werden, da entlang der Wege ca. 0,5 m breite Streifen häufiger gemäht werden müssen, um ein witterungsbedingtes Umkippen der höheren Gräser und Kräuter auf die Wege zu verhindern.

 

Pflege

·         Gehölze: bedarfsgerechter Rückschnitt (Lichtraum, Sichtdreiecke, Einwuchs in Wege, Strauchflächen: Verjüngung durch abschnittweises auf den Stock setzen ca. alle 10 – 15 Jahre)

·         Rasen-/Wiesenflächen:

o   Besonders Intensiv genutzte Flächen: Ausschließlich einige große Rasenflächen im Stadtpark: wöchentliche bis 14tägige Mahd mit Großflächenmäher – In Absprache mit dem NABU werden auch dort je nach Aufwuchs an wechselnden Stellen niedrige Blühinseln (Klee, Gänseblümchen, Hahnenfuß u.ä.) über Zeiträume von 1 – 2 Mahdintervallen erhalten.

o   Durchschnittlich genutzte Flächen bzw. Wegeseitenräume innerhalb extensiver Wiesen: alle 6 – 8 Wochen = 4 – 5 mal pro Jahr

o   Extensive Wiesenflächen: 1 – 2 mal pro Jahr

o   Randbereiche Gehölzflächen, Baumumfeld: Mahd 1 mal pro Jahr

·         Ausnahme Stadtpark: Diese größte innerstädtische Grünanlage ist ein vielfältiges Mosaik unterschiedlichster Flächen, die je nach Nutzung sehr unterschiedlich gepflegt werden: wöchentlich (s. oben) in Bereichen, die intensiv durch Spaziergänger und Veranstaltungen genutzt werden bis Mahd alle zwei Jahre in Bereichen mit besonderer Lebensraumfunktion. Hierfür wurde u.a. der Pflege- und Entwicklungsplan erarbeitet.

·         Insgesamt besteht ein enger Austausch mit dem NABU (s. z.B. Blühinseln, Nistkästen, Kopfbäume und Infotafeln im Stadtpark oder Fledermausröhre in der Grünanlage am Gewerbepark Nordwest), dessen Anregungen und Hinweise soweit möglich in die tägliche Arbeit des Gärtnerbauhofs mit einfließen.

 

Allgemeine Hinweise

Die Pflege öffentlicher Grünflächen hat sich im Laufe der Zeit aufgrund der sich ständig verändernden Bedingungen wie technische Möglichkeiten (Maschineneinsatz), haushaltspolitischer Vorgaben (Sparmaßnahmen), gesetzlicher Vorgaben (Verbot von Spritzmitteln, Verkehrssicherungspflicht, Anlage von Kompensationsflächen), neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen (weniger „ordentlich“, Berücksichtigung ökologischer Aspekte) ständig verändert und wird es wahrscheinlich auch weiterhin tun.

Die vielfältigen, sich zum Teil wiedersprechenden Anforderungen an ästhetischen Anspruch mit gutem Pflegestandard bei gleichzeitiger Berücksichtigung von ökologischen Aspekten und Betreuung von einer immer größeren Anzahl von Flächen bei gleichbleibendem Personalstamm lassen sich nicht alle immer und überall erfüllen.

Die dargestellte Pflegepraxis versucht möglichst vielen der Ansprüche gerecht zu werden. Durch Fachliteratur und Fortbildungen werden die wissenschaftlichen Entwicklungen sowie das Vorgehen anderer Kommunen verfolgt und wenn für sinnvoll erachtet auch angewandt. So hat sich z.B. die Praxis bei der Pflanzvorbereitung für Straßenbäume in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Für die Pflanzung werden im Straßenraum getestete Sorten verwendet (z.B. Amberbaum „Paarl“ Bahnhof- u. Poststraße, Spitzahorn „Columnare“ Marktstraße), .

Zu den auf den Kreiseln verwendeten Blühmischungen oder die blütenreichen Wiesenmischungen finden sich auch vielfach Berichte anderer Kommunen in Fachzeitschriften wieder.

Einige der neuen Erkenntnisse oder Versuche der Pflegeumstellung (z.B. Ansaat der Baumscheiben) müssen zunächst auf Praxistauglichkeit getestet und ggf. angepasst werden. Diese Umstellungen erfolgen schrittweise. Insofern ist die Pflegepraxis ständig im Fluss und jede Darstellung nur eine Momentaufnahme.

 

Erfahrungen mit Pflege durch Anwohner / „Paten“

Die bisherigen Pflegezusagen für Flächen , die von Firmen/Sponsoren übernommen wurden, sind nur unzureichend bis gar nicht eingehalten worden. Die Bereiche mussten dann doch von städtischen Mitarbeitern gepflegt (z.B. Beet an Querungshilfe Immenser Straße (im Zuge Bau KVP Schwarzer Herzog entfallen)) oder müssen wieder eingeebnet werden (z.B. Beet an Ortseingang Hülptingsen).

Bei den im Rahmen des Spielplatzkonsolidierungskonzeptes in 2004 beworbenen Spielplatzpatenschaften konnte nur für einen Spielplatz eine Patenschaft abgeschlossen werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass offizielle Patenschaften von Privatpersonen für Grünflächenpflege auf öffentlichen Flächen einen erheblichen verwaltungstechnischen Aufwand nach sich ziehen: Die Paten sind beim kommunalen Versicherungsträger mitzuversichern und müssten nach dessen Vorgabe auch die Auflagen der Berufsgenossenschaft bei der Ausübung der Pflegetätigkeit erfüllen und entsprechend eingewiesen werden (Sicherheitsschuhe, Handschuhe, ggf. Gehörschutz usw.).

Bei einer größeren Anzahl bzw. häufig wechselnden Patenschaften kann dies von der Verwaltung nur mit zusätzlichem Personal gleistet werden.

Zu bedenken ist, dass die meisten Anlieger, die an der Übernahme einer Pflege des öffentlichen Grüns interessiert sind, im Wesentlichen an einem „ordentlichen“ Eindruck der Flächen an ihrem Grundstück interessiert sind. Das bedeutet i.d.R. häufige (wöchentliche – 14tägige) Mahd und/oder einzelne Pflanzen mit gehacktem und geharktem Boden dazwischen), was aus ökologischer Sicht und überwiegend auch aus gestalterischer Sicht nicht wünschenswert ist.

Pflege ohne offizielle Patenschaft wird seitens der Stadt weitgehend toleriert (Rasenmahd, kleinflächiges Pflanzen krautiger Blumen u.ä.).

An einigen Stellen kommt es aber zum Teil bereits jetzt vor, dass Anwohner durch das Entfernen von Graswuchs in Straßenseitenstreifen Stolperkanten am Übergang zu befestigten Flächen verursachen.

 

Resümee

Aus Sicht der Verwaltung sind die bestehenden Pflege- und Gestaltungsgrundsätze den Erfordernissen gut angepasst. Sie kombinieren möglichst geringen Pflegeaufwand mit ansprechender Optik (Blühaspekte über Gehölze, Blumenzwiebeln, Blühmischungen) unter Einbeziehung ökologischer Aspekte (extensive Mahd großer Wiesenflächen und Baumscheiben mit artenreichen Ansaaten und standortheimische Gehölzpflanzungen).

Anregungen aus der Fachliteratur werden aufgenommen und ggf. kleinflächig getestet, um ihre Tauglichkeit für weitere Flächen zu prüfen (z.B. Ansaat von Baumscheiben mit Staudenmischungen, Pflanzung von Rosa rugosa im Einflussbereich von Streusalz).

Das vorhandene Pflegekonzept ist aus Sicht der Verwaltung praxisnah und wird in der täglichen Abwicklung laufend auf mögliche Verbesserungsmöglichkeiten überprüft.

Derzeit wird die Anschaffung eines Programms für die Anlage eines Grünflächenkatasters vorbereitet. Ab 2015 sollen innerhalb der nächsten ca. 6 Jahre nach und nach Flächenaufnahmen der Ortsteile beauftragt werden, um die verschiedenen Grünflächen dort einzuspeisen. Ziel ist es einen flächenscharfen Überblick über die städtischen Grünflächen und deren Pflegestandard zu erhalten, um auf dieser Grundlage die Arbeits- und Pflegeprozesse zu optimieren.

Die kurzfristige Erarbeitung eines flächenscharfen Pflegekonzeptes und seine Fortschreibung kann aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes, der dafür erforderlich ist, verwaltungsintern nicht geleistet werden. Eine solche Erarbeitung müsste über eine Fremdvergabe erfolgen, für die entsprechende Haushaltsmittel eingestellt werden müssten.

Daher wird vorgeschlagen, die derzeitige Praxis beizubehalten und für weitergehende Konzepte den Aufbau des Grünflächenkatasters abzuwarten.

Die für die Grünflächenplanung und –pflege zuständigen Sachbearbeiterinnen sind jedoch jederzeit für Anregungen und Hinweise offen, wie dies in der Praxis z.B. auch seit Jahren in der Zusammenarbeit mit dem NABU praktiziert wird.