Betreff
Neue rechtliche Rahmenbedingungen zur Planung von Vorhaben der Windenergienutzung
Vorlage
M 2023 0426
Art
M i t t e i l u n g
Untergeordnete Vorlage(n)

Nachfolgende Mitteilung gebe ich Ihnen zur Kenntnis.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Diese Sitzungsvorlage thematisiert die neuen bundesweit rechtlichen Rahmenbedingungen für die Planung von Windenergievorhaben und soll eine Auskunft über deren Auswirkungen für die Stadt Burgdorf geben. Zu diesem Anlass wird (a) das aktuell geltende Planungsrecht der Stadt Burgdorf sowie (b) das Planungsvorhaben zur zukünftigen Aufstellung von Windenergieanlagen (WEA) kurz dargestellt:

 

(a) Aktuelle Genehmigungsgrundlage der Stadt Burgdorf: Flächennutzungsplan (1998)

 

Die aktuelle Genehmigungsgrundlage geht auf die 29. Änderung des Flächennutzungsplans (FNP) aus dem Jahr 1998 zurück: In dem Plan sind drei Konzentrationszonen mit Ausschlusswirkung für Windenergie als Flächen für die Landwirtschaft in Überlagerung mit Flächen für die Windenergie ausgewiesen – insgesamt stehen derzeit 16 WEA auf dem Burgdorfer Stadtgebiet:

 

·         Hülptingsen            (8,5 ha):                0 WEA

·         Otze / Schillerslage (36 ha):                 7 WEA

·         Ehlershausen          (36,3 ha):                        9 WEA

Diese Genehmigungsgrundlage beinhaltet eine Ausschlusswirkung, weshalb ausschließlich innerhalb dieser Konzentrationszonen WEA realisiert werden können und außerhalb dieser nicht.

 

Unter dem folgenden Link ist die 29. Änderung des FNP von 1998 einzusehen:

https://www.burgdorf.de/regional/bauleitplanung/29-fnp-aenderung-wind--902000232-20500.html?plantyp=f&titel=29.+FNP-%C3%84nderung+%28Wind%29

 

(b) Planungsvorhaben der Stadt Burgdorf: Aufstellung sachlicher Teil-FNP Wind

 

Aktuell befindet sich die Stadt Burgdorf im Vorhaben der Aufstellung eines sachlichen Teil-Flächennutzungsplans Wind (M2021 1531). Der Ratsbeschluss geht auf das Jahr 2015 zurück (BV 2015 0836). Der derzeitige Projektstand sieht wie folgt aus:

Ein Gutachten, welches die potenziellen Windenergiestandorte auf dem Burgdorfer Stadtgebiet identifiziert, wurde erstellt und veröffentlicht (M2021 0078/1). Für die Untersuchung der artenschutzrechtlichen Belange auf der ermittelten Potenzialflächenkulisse wurde das Planungsbüro Bosch & Partner beauftragt. Mit den Ergebnissen ist zum Ende des Jahres 2023 zu rechnen, sodass daraufhin im Frühjahr 2024 mit der Bauleitplanung (Aufstellung sachlicher Teil-FNP Wind) begonnen werden kann. Hier besteht für die Öffentlichkeit, Behörden und Träger öffentlicher Belange im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung (§§3-4 Abs.1 BauGB) sowie der förmlichen Beteiligung (§§3-4 Abs. 2 BauGB) die Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung.

 

Der grundlegende Anlass zur Schaffung von neuem Planungsrecht durch Aufstellung eines eigenen Plankonzepts hat folgende Gründe: Zum einen gilt die aktuelle Genehmigungsgrundlage aufgrund bestehender Höhenbeschränkungen und bereits realisierter WEA als ausgeschöpft. Zum anderen hat sich im Zuge der 5. Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) der Region Hannover für die Regionskommunen ein neuer Sachverhalt ergeben: War vor der 5. Änderung des RROP im Regionsgebiet die Realisierung von WEA aufgrund der Ausschlusswirkung ausschließlich innerhalb der Vorranggebiete Wind rechtlich möglich, ist der Bau von WEA zukünftig auch außerhalb dieser möglich. Durch den Wegfall der Ausschlusswirkung auf Regionsebene liegt die Verantwortung der Steuerung der Ausweisung von Windenergiestandorten bei den Kommunen, welches mittels eines eigenen Plankonzepts durch eine Flächennutzungsplanung mit Konzentrationszonen mit Ausschlusswirkung umgesetzt werden kann. Im Interesse einer ertragreichen Windenergienutzung, wie auch um die Aspekte des Anwohner-, Natur- und Landschaftsschutzes zu wahren, sollen WEA zukünftig ausschließlich innerhalb der im sachlichen Teil-FNP Wind dargestellten Konzentrationszonen realisiert werden können.

 

 

Unter dem folgenden Link gelangen Sie zur kommunalen Projektwebseite: https://www.burgdorf.de/bauen-wirtschaft/stadtentwicklung/windenergienutzung/

 

In welcher Art und in welchem Umfang die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen um die Einführung des Windenergie-an-Land-Gesetzes (WaLG) die kommunale Genehmigungsgrundlage sowie das Planungsvorhaben beeinflussen, wird im Folgenden erläutert.

 

Neue Rechtliche Rahmenbedingungen durch das Windenergie-an-Land-Gesetz (WaLG)

 

Das Bundeskabinett hat am 15. Juni 2022 das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land beschlossen, welches am 01.02.2023 in Kraft getreten ist (kurz: Wind-an-Land-Gesetz bzw. WaLG). Das Ziel, welches mit diesem Gesetzesbeschluss verfolgt wird, ist nicht nur die Planungs- und Genehmigungsverfahren von Windenergievorhaben zu vereinfachen und zu beschleunigen, sondern ebenfalls der Windenergie zukünftig genügend Raum zu gegeben.

Da es sich um ein sogenanntes Artikelgesetz handelt, sind folgende Bereiche vom WaLG betroffen:

·         Einführung eines Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG)

·         Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB)

·         Änderungen im Raumordnungsgesetz (ROG)

·         Änderungen im Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG)

·         4. Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes BNatschG

Aufgrund des Umfangs des WaLG wird ausschließlich auf die Änderungen eingegangen, die unmittelbar das Planungsvorhaben der Stadt Burgdorf tangieren.

Das durch das WaLG eingeführte WindBG sieht für jedes Bundesland individuelle verbindliche Vorgaben für die planungsrechtliche Sicherung von Flächen für die Windenergienutzung vor (=Flächenbeitragswerte): Das Land Niedersachsen muss bis zum 31.12.2027 1,7% (1. Teilflächenziel) und bis zum 31.12.2032 insgesamt 2,2% (2. Teilflächenziel) der Landesfläche für die Windenergienutzung planungsrechtlich zur Verfügung stellen. Die Länder erfüllen diese Pflicht, indem sie ihre individuellen Teilflächenziele in landesweiten oder regionalen Raumordnungsplänen ausweisen oder deren Ausweisung durch regionale oder kommunale Planungsträger sicherstellen (§3 Abs. 2 WindBG). Diese Teilflächenziele sind bis zum 01.05.2024 auf die Planungsträger (Landkreise oder Kommunen) umzulegen, sodass auch die Stadt Burgdorf, sollte sich das Land Niedersachsen dazu entschließen, die Vorgaben bis zur kommunalen Planungsebene weiterzureichen, von der Nachweispflicht betroffen ist.

 

Im unmittelbaren Zusammenhang des Mechanismus des WindBG ist die aus dem WaLG folgende Änderung des Baugesetzbuches (BauGB) zu betrachten:

 

Mit dem neu eingeführten §245e BauGB wird eine neue Überleitungsvorschrift eingeführt, mit der eine befristete Rechtswirkung von Konzentrationsflächen mit Ausschlusswirkung in Regional- und Flächennutzungsplänen festgehalten ist.

 

Die Rechtswirkung des Ausschlusses entfällt in Plänen,

a)   sobald der Flächenbeitragswert erreicht ist;

b)   spätestens jedoch Ende 2027.

Des Weiteren werden in §249 BauGB Neuregelegungen zur Privilegierung von WEA getroffen: Bei Erreichen des Teilflächenziels im Außenbereich zählt die Windenergie zukünftig zu den sonstigen Vorhaben und gilt somit nicht mehr privilegiert. Eine Realisierung ist nur noch über den §35 Abs. 2 BauGB möglich, was bedeutet, dass verschiedene Belange in der Abwägung zu berücksichtigen sind.

 

 

 

Sollte das Teilflächenziel allerdings verfehlt werden, besteht daraufhin eine Art „Superprivilegierung“, was Folgendes bedeutet:

 

In diesem Fall besteht für die Ausweisung von Standorten für die Windenergie keine Bindung an entgegenstehende Ziele der Raumordnung und Darstellungen in einem Flächennutzungsplan, soweit dies zur Erreichung der Teilflächenziele erforderlich ist. Dies bedeutet, dass dann auch, um die Flächenziele nach den Fristen zu erreichen, Darstellungen in Plänen, wie zum Beispiel Vorranggebiet Wald, für die Windenergie geöffnet wären. Dieser Sonderfall der „Superprivilegierung“ entfällt, sobald das jeweilige Teilflächenziel erreicht ist.

 

Um die Auswirkungen der beschriebenen neuen Rahmenbedingungen für die Stadt Burgdorf aufzuzeigen, werden folgende Szenarien ab dem Jahr 2028 dargestellt:

 

(a)    Wird das erste Teilflächenziel im RROP oder sachlichen Teil-FNP Wind bis Ende 2027 nachgewiesen, dann liegt folgende Situation vor:

 

-              die Windenergienutzung im Außenbereich gilt als nicht mehr privilegiert und gehört nur noch zu den sonstigen Vorhaben.

-              Die Ausschlusswirkung besitzt in sämtlichen Plänen durch §245e BauGB keine Rechtswirkung mehr.

-              Die Aufstellung von WEA ist trotz des Verlustes der Ausschlusswirkung, aber aufgrund der Entprivilegierung von Wind im Außenbereich ausschließlich in den im RROP oder im FNP dargestellten Windenergiegebieten, die einen Beitrag zum Flächenziel geleistet haben, möglich.

Hinweis: Sollte die nachzuweisende Flächenvorgabe nur für die Landkreisebene gelten, können die Kommunen der Region Hannover durch eine eigene Flächennutzungsplanung weitere als die im RROP dargestellten Flächen ausweisen und somit Ergänzungen für den Flächenbeitragswert und somit auch für den Klimaschutz leisten.

 

(b) Wird das erste Teilflächenziel im RROP oder sachlichen Teil-FNP Wind bis Ende 2027 nicht nachgewiesen, dann besteht folgende Situation:

-      die Ausschlusswirkung ist in sämtlichen Plänen durch §245e BauGB weggefallen.

-      Nach §249 BauGB ist die Windenergie im Außenbereich „superprivilegiert“ und setzt sich gegenüber anderen öffentlichen Belangen regelmäßig durch.

-      die Aufstellung von WEA ist aufgrund des Wegfalls der Ausschlusswirkung auch außerhalb der in RROP oder im FNP dargestellten Windenergiegebiete möglich. Eine aktive Steuerung seitens der Planungsträger ist nicht möglich. Aufgrund der erhöhten Privilegierung setzt sich die Windenergie im Außenbereich (regelmäßig) gegenüber anderen öffentlichen Belangen durch, sodass dadurch der Windenergie ohne eine restriktive Steuerung genügend Raum gegeben wird.

Zusammengefasst ist die Steuerung der Standorte von WEA ab dem Jahr 2028 von der Frage abhängig, ob das erste Teilflächenziel des zuständigen Planungsträgers erreicht oder verfehlt wird.

Eine weitere Auswirkung des WaLG ist die 4. Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), woraus sich eine neue Handhabung von Landschaftsschutzgebieten (LSG) im Planungsprozess ergibt: War bislang der Bau von WEA in LSG aufgrund von entgegenstehenden Schutzzwecken oder Bauverboten verboten, besteht dort zukünftig die Möglichkeit der Planung und Realisierung von Windenergiegebieten. Darüber hinaus stehen Landschaftsschutzgebietsverordnungen der Windenergie als privilegiertes Vorhaben im Abwägungsprozess nicht mehr entgegen. Dies führt im eigenen Planungsvorhaben zu einer Überprüfung der bereits ermittelten Kulisse an Potenzialflächen (M 2022 0078/1), indem potenziell für die Windenergie geeignete Flächen innerhalb von LSG in die Flächenkulisse mit aufgenommen werden.

 

Auch im Bereich des Artenschutzes im Rahmen von Windenergieplanungen gelten durch das WaLG neue Rahmenbedingungen. Im §45b BNatSchG wurden bundesweit einheitliche Vorgaben für die fachliche Beurteilung eingeführt, deren Standardisierung zur Beschleunigung von Windenergieplanungen führen soll. Die neuen Rahmenbedingen sollen in der artenschutzrechtlichen Konfliktanalyse berücksichtigt werden, um das eigene Planungsvorhaben auf den aktuellen Stand der Rechtsprechung zu halten.

 

Zusammenfassung und Ausblick

Der Gesetzesbeschluss zur Einführung des WaLG führt für regionale bzw. womöglich ebenfalls kommunale Planungsträger nicht nur zu einer bundesweiten Regelung zum verbindlichen Nachweis, innerhalb eines bestimmtes Zeitraums der Windenergie genügend Raum zu geben – der Beschluss führt ebenso zu der unmittelbaren planerischen Konsequenz, dass, sollte der Windenergie nicht genügend Raum gegeben werden, die Steuerung via Ausschlussplanung ihre Rechtswirkung verliert bzw. aus planungsrechtlicher Perspektive ein sogenannter „Wildwuchs“ ermöglicht wird.

 

Sollte die Ebene der Landkreise und nicht die der Kommunen nachweispflichtig sein, ist die zukünftige Standortausweisung von WEA in der Region Hannover (und auch in Burgdorf) vom Erreichen des Teilflächenziels durch das RROP abhängig.

 

Sollten die Teilflächenziele in Niedersachsen bis auf die Ebene der Kommunen weitergegeben werden, stellt der sachliche Teil-FNP Wind ein geeignetes Instrument dar, diese Nachweispflicht bis zum Jahr 2027 zu erfüllen. Auch ist für den Fall, dass die Nachweispflicht bei der Region Hannover liegt, die Möglichkeit gegeben, mit dem eigenen Plankonzept weitere Flächen, als im RROP dargestellt, für den Klimaschutz beizusteuern

 

 

 

 

 

 

(Pollehn)