Nachfolgende Mitteilung gebe ich Ihnen zur Kenntnis.
Diese Sitzungsvorlage thematisiert die neuen bundesweit rechtlichen Rahmenbedingungen für die Planung von Windenergievorhaben und soll eine Auskunft über deren Auswirkungen für die Stadt Burgdorf geben. Zu diesem Anlass wird (a) das aktuell geltende Planungsrecht der Stadt Burgdorf sowie (b) das Planungsvorhaben zur zukünftigen Aufstellung von Windenergieanlagen (WEA) kurz dargestellt:
(a) Aktuelle
Genehmigungsgrundlage der Stadt Burgdorf: Flächennutzungsplan (1998)
Die aktuelle Genehmigungsgrundlage geht auf die 29. Änderung des Flächennutzungsplans (FNP) aus dem Jahr 1998 zurück: In dem Plan sind drei Konzentrationszonen mit Ausschlusswirkung für Windenergie als Flächen für die Landwirtschaft in Überlagerung mit Flächen für die Windenergie ausgewiesen – insgesamt stehen derzeit 16 WEA auf dem Burgdorfer Stadtgebiet:
·
Hülptingsen (8,5
ha): 0 WEA
·
Otze / Schillerslage (36 ha): 7 WEA
·
Ehlershausen (36,3
ha): 9 WEA
Diese Genehmigungsgrundlage
beinhaltet eine Ausschlusswirkung, weshalb ausschließlich innerhalb dieser
Konzentrationszonen WEA realisiert werden können und außerhalb dieser nicht.
Unter dem folgenden Link ist die 29. Änderung des FNP von 1998 einzusehen:
(b) Planungsvorhaben der Stadt
Burgdorf: Aufstellung sachlicher Teil-FNP Wind
Aktuell befindet sich die Stadt Burgdorf im Vorhaben der Aufstellung eines sachlichen Teil-Flächennutzungsplans Wind (M2021 1531). Der Ratsbeschluss geht auf das Jahr 2015 zurück (BV 2015 0836). Der derzeitige Projektstand sieht wie folgt aus:
Ein Gutachten, welches die potenziellen Windenergiestandorte auf dem Burgdorfer Stadtgebiet identifiziert, wurde erstellt und veröffentlicht (M2021 0078/1). Für die Untersuchung der artenschutzrechtlichen Belange auf der ermittelten Potenzialflächenkulisse wurde das Planungsbüro Bosch & Partner beauftragt. Mit den Ergebnissen ist zum Ende des Jahres 2023 zu rechnen, sodass daraufhin im Frühjahr 2024 mit der Bauleitplanung (Aufstellung sachlicher Teil-FNP Wind) begonnen werden kann. Hier besteht für die Öffentlichkeit, Behörden und Träger öffentlicher Belange im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung (§§3-4 Abs.1 BauGB) sowie der förmlichen Beteiligung (§§3-4 Abs. 2 BauGB) die Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung.
Der grundlegende Anlass zur Schaffung von neuem Planungsrecht durch Aufstellung eines eigenen Plankonzepts hat folgende Gründe: Zum einen gilt die aktuelle Genehmigungsgrundlage aufgrund bestehender Höhenbeschränkungen und bereits realisierter WEA als ausgeschöpft. Zum anderen hat sich im Zuge der 5. Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) der Region Hannover für die Regionskommunen ein neuer Sachverhalt ergeben: War vor der 5. Änderung des RROP im Regionsgebiet die Realisierung von WEA aufgrund der Ausschlusswirkung ausschließlich innerhalb der Vorranggebiete Wind rechtlich möglich, ist der Bau von WEA zukünftig auch außerhalb dieser möglich. Durch den Wegfall der Ausschlusswirkung auf Regionsebene liegt die Verantwortung der Steuerung der Ausweisung von Windenergiestandorten bei den Kommunen, welches mittels eines eigenen Plankonzepts durch eine Flächennutzungsplanung mit Konzentrationszonen mit Ausschlusswirkung umgesetzt werden kann. Im Interesse einer ertragreichen Windenergienutzung, wie auch um die Aspekte des Anwohner-, Natur- und Landschaftsschutzes zu wahren, sollen WEA zukünftig ausschließlich innerhalb der im sachlichen Teil-FNP Wind dargestellten Konzentrationszonen realisiert werden können.
Unter dem folgenden Link gelangen Sie zur kommunalen Projektwebseite: https://www.burgdorf.de/bauen-wirtschaft/stadtentwicklung/windenergienutzung/
In welcher Art und in welchem Umfang die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen um die Einführung des Windenergie-an-Land-Gesetzes (WaLG) die kommunale Genehmigungsgrundlage sowie das Planungsvorhaben beeinflussen, wird im Folgenden erläutert.
Neue Rechtliche Rahmenbedingungen durch das
Windenergie-an-Land-Gesetz (WaLG)
Das Bundeskabinett hat am 15. Juni
2022 das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von
Windenergieanlagen an Land beschlossen, welches am 01.02.2023 in Kraft
getreten ist (kurz: Wind-an-Land-Gesetz bzw. WaLG). Das Ziel, welches mit
diesem Gesetzesbeschluss verfolgt wird, ist nicht nur die Planungs- und
Genehmigungsverfahren von Windenergievorhaben zu vereinfachen und zu
beschleunigen, sondern ebenfalls der Windenergie zukünftig genügend Raum zu
gegeben.
Da es sich um ein sogenanntes
Artikelgesetz handelt, sind folgende Bereiche vom WaLG betroffen:
·
Einführung eines Windenergieflächenbedarfsgesetzes
(WindBG)
·
Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB)
·
Änderungen im Raumordnungsgesetz (ROG)
·
Änderungen im Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG)
·
4. Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes BNatschG
Aufgrund des Umfangs des WaLG wird
ausschließlich auf die Änderungen eingegangen, die unmittelbar das
Planungsvorhaben der Stadt Burgdorf tangieren.
Das durch das WaLG eingeführte WindBG sieht für jedes Bundesland
individuelle verbindliche Vorgaben für die planungsrechtliche Sicherung von
Flächen für die Windenergienutzung vor (=Flächenbeitragswerte): Das Land
Niedersachsen muss bis zum 31.12.2027
1,7% (1. Teilflächenziel) und bis zum 31.12.2032
insgesamt 2,2% (2. Teilflächenziel) der Landesfläche für die
Windenergienutzung planungsrechtlich zur Verfügung stellen. Die Länder erfüllen
diese Pflicht, indem sie ihre individuellen Teilflächenziele in landesweiten
oder regionalen Raumordnungsplänen ausweisen oder deren Ausweisung durch
regionale oder kommunale Planungsträger sicherstellen (§3 Abs. 2 WindBG). Diese
Teilflächenziele sind bis zum 01.05.2024 auf die Planungsträger (Landkreise oder
Kommunen) umzulegen, sodass auch die Stadt Burgdorf, sollte sich das Land
Niedersachsen dazu entschließen, die Vorgaben bis zur kommunalen Planungsebene
weiterzureichen, von der Nachweispflicht betroffen ist.
Im unmittelbaren Zusammenhang des
Mechanismus des WindBG ist die aus
dem WaLG folgende Änderung des
Baugesetzbuches (BauGB) zu
betrachten:
Mit dem neu eingeführten §245e BauGB wird eine neue
Überleitungsvorschrift eingeführt, mit der eine befristete Rechtswirkung von
Konzentrationsflächen mit Ausschlusswirkung in Regional- und
Flächennutzungsplänen festgehalten ist.
Die Rechtswirkung des Ausschlusses
entfällt in Plänen,
a) sobald der
Flächenbeitragswert erreicht ist;
b) spätestens
jedoch Ende 2027.
Des Weiteren werden in §249 BauGB Neuregelegungen zur
Privilegierung von WEA getroffen: Bei Erreichen des Teilflächenziels im
Außenbereich zählt die Windenergie zukünftig zu den sonstigen Vorhaben und gilt
somit nicht mehr privilegiert. Eine Realisierung ist nur noch über den §35 Abs.
2 BauGB möglich, was bedeutet, dass verschiedene Belange in der Abwägung zu
berücksichtigen sind.
Sollte das Teilflächenziel
allerdings verfehlt werden, besteht daraufhin eine Art „Superprivilegierung“,
was Folgendes bedeutet:
In diesem Fall besteht für die
Ausweisung von Standorten für die Windenergie keine Bindung an
entgegenstehende Ziele der Raumordnung und Darstellungen in einem
Flächennutzungsplan, soweit dies zur Erreichung der Teilflächenziele
erforderlich ist. Dies bedeutet, dass dann auch, um die Flächenziele nach
den Fristen zu erreichen, Darstellungen in Plänen, wie zum Beispiel
Vorranggebiet Wald, für die Windenergie geöffnet wären. Dieser Sonderfall der
„Superprivilegierung“ entfällt, sobald das jeweilige Teilflächenziel erreicht
ist.
Um die Auswirkungen der beschriebenen neuen Rahmenbedingungen
für die Stadt Burgdorf aufzuzeigen, werden folgende Szenarien ab dem Jahr 2028
dargestellt:
(a)
Wird das erste Teilflächenziel im RROP
oder sachlichen Teil-FNP Wind bis Ende 2027 nachgewiesen, dann liegt folgende Situation vor:
-
die Windenergienutzung im Außenbereich gilt als nicht
mehr privilegiert und gehört nur noch zu den sonstigen Vorhaben.
-
Die Ausschlusswirkung besitzt in sämtlichen Plänen
durch §245e BauGB keine Rechtswirkung mehr.
-
Die Aufstellung von WEA ist trotz des Verlustes der
Ausschlusswirkung, aber aufgrund der Entprivilegierung von Wind im Außenbereich
ausschließlich in den im RROP oder im FNP dargestellten Windenergiegebieten,
die einen Beitrag zum Flächenziel geleistet haben, möglich.
Hinweis:
Sollte die nachzuweisende Flächenvorgabe nur für die Landkreisebene gelten,
können die Kommunen der Region Hannover durch eine eigene
Flächennutzungsplanung weitere als die im RROP dargestellten Flächen ausweisen
und somit Ergänzungen für den Flächenbeitragswert und somit auch für den
Klimaschutz leisten.
(b) Wird das erste Teilflächenziel
im RROP oder sachlichen Teil-FNP Wind bis Ende 2027 nicht nachgewiesen, dann besteht folgende Situation:
- die
Ausschlusswirkung ist in sämtlichen Plänen durch §245e BauGB weggefallen.
- Nach §249
BauGB ist die Windenergie im Außenbereich „superprivilegiert“ und setzt sich
gegenüber anderen öffentlichen Belangen regelmäßig durch.
- die
Aufstellung von WEA ist aufgrund des Wegfalls der Ausschlusswirkung auch
außerhalb der in RROP oder im FNP dargestellten Windenergiegebiete möglich.
Eine aktive Steuerung seitens der Planungsträger ist nicht möglich. Aufgrund
der erhöhten Privilegierung setzt sich die Windenergie im Außenbereich
(regelmäßig) gegenüber anderen öffentlichen Belangen durch, sodass dadurch der
Windenergie ohne eine restriktive Steuerung genügend Raum gegeben wird.
Zusammengefasst ist die Steuerung
der Standorte von WEA ab dem Jahr 2028 von der Frage abhängig, ob das erste
Teilflächenziel des zuständigen Planungsträgers erreicht oder verfehlt wird.
Eine weitere Auswirkung des WaLG
ist die 4. Novelle des
Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), woraus sich eine neue Handhabung von
Landschaftsschutzgebieten (LSG) im Planungsprozess ergibt: War bislang der Bau
von WEA in LSG aufgrund von entgegenstehenden Schutzzwecken oder Bauverboten
verboten, besteht dort zukünftig die Möglichkeit der Planung und Realisierung
von Windenergiegebieten. Darüber hinaus stehen
Landschaftsschutzgebietsverordnungen der Windenergie als privilegiertes
Vorhaben im Abwägungsprozess nicht mehr entgegen. Dies führt im eigenen
Planungsvorhaben zu einer Überprüfung der bereits ermittelten Kulisse an
Potenzialflächen (M 2022 0078/1), indem potenziell für die Windenergie geeignete
Flächen innerhalb von LSG in die Flächenkulisse mit aufgenommen werden.
Auch im Bereich des Artenschutzes
im Rahmen von Windenergieplanungen gelten durch das WaLG neue
Rahmenbedingungen. Im §45b BNatSchG
wurden bundesweit einheitliche Vorgaben für die fachliche Beurteilung
eingeführt, deren Standardisierung zur Beschleunigung von Windenergieplanungen
führen soll. Die neuen Rahmenbedingen sollen in der artenschutzrechtlichen
Konfliktanalyse berücksichtigt werden, um das eigene Planungsvorhaben auf den
aktuellen Stand der Rechtsprechung zu halten.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Gesetzesbeschluss zur
Einführung des WaLG führt für regionale bzw. womöglich ebenfalls kommunale
Planungsträger nicht nur zu einer bundesweiten Regelung zum verbindlichen
Nachweis, innerhalb eines bestimmtes Zeitraums der Windenergie genügend Raum zu
geben – der Beschluss führt ebenso zu der unmittelbaren planerischen
Konsequenz, dass, sollte der Windenergie nicht genügend Raum gegeben werden,
die Steuerung via Ausschlussplanung ihre Rechtswirkung verliert bzw. aus
planungsrechtlicher Perspektive ein sogenannter „Wildwuchs“ ermöglicht wird.
Sollte die Ebene der Landkreise und nicht die der Kommunen nachweispflichtig sein, ist die zukünftige Standortausweisung von WEA in der Region Hannover (und auch in Burgdorf) vom Erreichen des Teilflächenziels durch das RROP abhängig.
Sollten die Teilflächenziele in Niedersachsen bis auf die Ebene der Kommunen weitergegeben werden, stellt der sachliche Teil-FNP Wind ein geeignetes Instrument dar, diese Nachweispflicht bis zum Jahr 2027 zu erfüllen. Auch ist für den Fall, dass die Nachweispflicht bei der Region Hannover liegt, die Möglichkeit gegeben, mit dem eigenen Plankonzept weitere Flächen, als im RROP dargestellt, für den Klimaschutz beizusteuern
(Pollehn)