Betreff
Strategie bei der Auswahl von Gehölzpflanzungen im Öffentlichen Raum
Vorlage
M 2021 1612/1
Art
M i t t e i l u n g
Referenzvorlage

Nachfolgende Informationen gebe ich Ihnen zur Kenntnis.

 

 

 

Sachverhalt und Begründung

Auf Grundlage des Antrags der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Burgdorf vom 03.05.2021 (A 2021 1612) fasste der Verwaltungsausschuss am 08.06.2021 folgenden Beschluss:

Der Bürgermeister wird beauftragt, über die Beobachtungen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Stadtbäume und die Strategie, die zukünftig bei der Auswahl von Gehölzpflanzungen im öffentlichen Raum in Bezug auf den Klimawandel und die allergene Belastung gewählt wird, im Ausschuss für Umwelt, Stadtentwicklung und Bau zu berichten.

Diesem Beschluss wird mit den nachstehenden Informationen nachgekommen.

 

Um die Situation der Bäume im öffentlichen Raum sowie das Vorgehen bei der Anpassung an den Klimawandel darzustellen, ist eine Unterscheidung anhand unterschiedlicher Standortsituationen erforderlich.

Im Wesentlichen sind dies folgende:

-      Straßenbäume:

Diese stehen in eng begrenzten Baumscheiben oder Pflanzstreifen im unmittelbaren Umfeld von Straßen, Gehwegen und anderen befestigten Flächen.

-      Bäume in innerstädtischen Grünanlagen /auf Spielplätzen:

Häufig wachsen die Bäume in Rasenflächen, z. T. in Gehölzstreifen. Je nach Art und Gestaltung der Grünflächen wird der Wurzelbereich jedoch auch als Bewegungsfläche genutzt (z. B. Spielplätze, Stadtpark u.ä.).

-      Bäume auf Kompensationsflächen / in der freien Landschaft (z. B. an Feldwegen)

Allgemein – Einfluss von Klimawandel und damit verbundenen Trockenphasen:

Besonders in den letzten Jahren konnte beobachtet werden, dass flach wurzelnde Gehölze wie Birken und Fichten in Folge der Trockenheit in den Jahren 2018 - 2020 abgestorben sind und andere Baumarten wie z. B. Eichen z. T. einen erhöhten Totholzanteil aufweisen. Einen ersten Eindruck, welche weitreichenden Folgen dies bereits hat, zeigt sich daran, dass in der Fällperiode 2020/21 an den Feldwegen rund 670 Bäume in Folge der drei trockenen Jahre gefällt werden mussten, die abgestorben waren. Dabei handelte es sich zum weit überwiegenden Teil um Birken. Untergeordnet kamen auch Kiefern, Fichten, Kirschen, Pappeln, Ahorn und Eichen vor. Dies entspricht ca. dem vierfachen früherer Jahre.

Im Innerstädtischen Bereich kamen noch einmal rund 270 zu fällende Bäume hinzu. Davon standen ca. 1/3 in flächigen Gehölzbeständen.

In den letzten 5 Jahren hat sich die Zahl der zu fällenden Bäume/Jahr innerhalb der Ortschaften verdoppelt.

Wo Baumfällungen notwendig sind, wird im Anschluss geprüft, ob eine Nachpflanzung möglich ist. Es müssen beispielsweise vorhandene Leitungen und die Größe der vorhandenen Baumscheibe berücksichtigt werden. So ist es nicht immer möglich, am alten Standort auch einen neuen Baum zu pflanzen.

Die Untere Naturschutzbehörde wird über die erforderlichen Fällungen in der freien Landschaft informiert. Diese prüft, ob Ersatzpflanzungen erforderlich sind und macht Vorgaben zu Nachpflanzungen.

Schädlingsbefall war in den letzten Jahren im Wesentlichen an Weiß- und Apfeldornen in Form des Birnenprachtkäfers und an Eichen durch Eichensplintkäfer zu verzeichnen. Eichenprozessionsspinner wurde bisher nur an Einzelbäumen beobachtet.

Dieser Befall ist häufig auf die Stresssituationen von Bäumen z. B. durch Trockenheit oder schlechte Standortbedingungen (an Straßen, häufig infolge von Verdichtung und Streusalzeintrag) zurückzuführen.

Noch wurden in den letzten Jahren keine außergewöhnlichen Befallsituationen verzeichnet. Vielmehr handelte es sich um eng begrenzte Situationen oder Einzelfälle.

 

Straßenbäume:

Baumstandorte an Straßen sind die am weitesten von den natürlichen Wuchsbedingungen für Bäume entfernten Standorte. Hier herrschen extreme Bedingungen. Die Hohe Versiegelung im Umfeld führt zu ungünstigen klimatischen Bedingungen durch erhöhte Temperaturen und geringere Luftfeuchtigkeit. Zusätzlich tragen Abgase und Streusalzeintrag zu einer Verschlechterung der Wuchsbedingungen bei. Und schließlich steht nur ein geringer Wurzelraum für die Versorgung des Baumes zur Verfügung, der durch den verdichteten Straßenaufbau, Gehwegpflaster und Leitungsverläufe, eingeschränkt wird.

Zum Teil führen Befahren und Belaufen zu einer Verdichtung der Baumscheiben, wodurch weniger Wasser dort versickert und den Baumwurzeln die „Luft abdrückt“. Dies gilt besonders für Standorte, die noch nicht nach den neuen Standards (s.u.) vorbereitet wurden.

Diese Bedingungen werden durch den Klimawandel mit häufig längeren Trockenzeiten noch einmal verstärkt. Dies macht sich dadurch bemerkbar, dass Bäume vermehrt infolge der Trockenheit absterben oder mindestens vermehrt Totholz bilden und ein deutlich verzögertes Wachstum aufweisen.

Für diese Standorte wird jedoch auch bereits seit mehr als zwanzig Jahren untersucht, wie sich diese in ihren Wuchsbedingungen verbessern lassen bzw. welche Baumarten für diese Standorte besonders geeignet sind.

Auch in Burgdorf wird bereits seit mehr als 10 Jahren bei der Baumartenauswahl - besonders an Straßen - darauf geachtet, dass die Bäume mit diesen besonderen Standortbedingungen (u.a. auch Trockenheit) möglichst gut zurechtkommen. Dafür wird neben regelmäßiger Verfolgung der entsprechenden Veröffentlichungen in der Fachliteratur auf die Straßenbaumliste der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) zurückgegriffen. Dort werden Baumarten aufgeführt, die bereits im städtischen Umfeld über Jahre getestet wurden und nach ihrer Eignung dazu bewertet werden. Diese Liste wird laufend fortgeschrieben.

An diesen Standorten sind einheimische Baumarten in der Regel höchstens in speziell selektierten Sorten geeignet (z.B. Feldahorn in der Sorte „Elsrijk“, Spitzahorn in der Sorte „Allershausen“). Besonders im Hinblick auf den Klimawandel werden sich hier zunehmend Bäume etablieren, die ihr natürliches Verbreitungsgebiet zurzeit eher in den Mittelmeerregionen oder auch in Amerika haben (z.B. Blumenesche (Fraxinus ornus, u.a. im Randbereich Kreisverkehr Marktstraße gepflanzt), Amberbaum (Liquidamber styraciflua, u.a. in der Bahnhof- und Poststraße gepflanzt).

Zusätzlich werden die Baumstandorte an Straßen besonders vorbereitet, in dem der anstehende Boden gegen spezielles Baumsubstrat ausgetauscht wird, das aufgrund seiner Zusammensetzung eine ausreichende Luftdurchlässigkeit und eine gute Wasserversorgung gewährleistet. Die Baumstämme werden durch Anstriche oder Umwicklungen in den ersten Jahren gegen Sonneneinstrahlung (Sonnenbrand) geschützt. Gießränder ermöglichen eine gezielte Bewässerung und Kokosmatten oder Rindenmulch schützen den Boden vor dem Austrocknen. Darüber hinaus werden Tiefenbelüftungen eingebaut. Das sind spezielle Rohre, die Luft auch in tiefere Bodenschichten (ca. 1,50 m) leiten und so die das Wurzelwachstum in die Tiefe lenken, um eine Beschädigung von Pflaster und Leitungen im oberflächennahen Bereich zu verhindern und die Versorgung der Bäume zu verbessern.

Schließlich werden verschiedene Baumarten gepflanzt, um zum einen zu sehen, welche sich im Burgdorfer Umfeld bewähren und zum anderen das Risiko bei Schädlingsbefall zu reduzieren. Gleichzeitig führt dies auch dazu, dass durch das Pflanzen verschiedener Baumarten in kleineren Stückzahlen auch die Belastung für Allergiker gesenkt wird.

 

Bäume in innerstädtischen Grünanlagen /auf Spielplätzen:

Hier stellen sich die Standortbedingungen günstiger dar als im direkten Straßenraum. Die Bäume haben mehr Wurzelraum zur Verfügung und der Versiegelungsgrad im Umfeld ist nicht ganz so hoch.

Dennoch sind auch diese Standorte noch durch das durch Bebauung und Versiegelung veränderte Klima beeinflusst. Hier ist jedoch oft der Einfluss der Nutzung dieser Flächen maßgeblicher Einflussfaktor. Die Flächen im Umfeld der Bäume werden mehr oder weniger intensiv durch Spaziergehende mit und ohne Hund, spielende Kinder und Jugendliche frequentiert.

Auch Trittbelastung führt zu Verdichtungen des Wurzelbereichs, die das Wachstum – besonders auch jüngerer Bäume – negativ beeinflussen. Daher wird auch für diese Standorte geprüft, ob der Baumstandort z. B. durch Einbau von Bodensubstrat gegen Verdichtung geschützt werden muss, um ein gutes Wurzelwachstum und eine ausreichende Luft- und Wasserversorgung zu gewährleisten.

Bei der Baumartenwahl spielt an diesen Standorten neben den Wuchsbedingungen häufig auch der Gestaltungsaspekt eine relevante Rolle, sodass Blühaspekte, Herbstfärbung, Fruchtschmuck u.ä. bei der Pflanzenauswahl berücksichtigt werden.

Hier können – je nach Standort – eher heimische Baumarten verwendet werden. Jedoch wird es auch hier durch den Klimawandel zunehmend schwierig, diese am Standort zu etablieren. In der Regel werden Bäume in den ersten drei Jahren regelmäßig gewässert, nach Möglichkeit mit abnehmender Tendenz, um die Wurzelentwicklung und damit die „Eigenversorgung“ zu fördern.

In sehr trockenen Jahren wie z. B. 2018 müssen zusätzlich auch wieder Bäume gewässert werden, die bereits aus der Bewässerung „herausgewachsen“ waren. Sind sonst ca. 3 Jahre Bewässerung für neu gepflanzte Bäume angesetzt worden, muss dies je nach Witterung nun häufig bis auf 5 Jahre ausgeweitet werden. Zusätzlich steigt die Anzahl der erforderlichen Wässerungsgänge. Dies bedeutet einen erheblichen Mehraufwand für die Belegschaft des Gärtnerbauhofs, die dadurch außerdem für andere Arbeiten (Mähen, Gehölzschnitt, u.ä.) nicht zur Verfügung steht.

Der Aufwand ist schon dadurch erheblich, dass in den vergangenen 10 Jahren durch etliche Neubaugiete (z. B. Heineckenfeld, Südlich und östlich Beerbuschweg, nördlich Worthstraße, Nördlich Zilleweg, Gewerbepark Nordwest, An den Hecken) sowie bereits in der Entstehung (südlich Ehlershäuser Weg, Erweiterung Gewerbepark) viele zusätzliche Bäume und Grünflächen in die Unterhaltung zu übernehmen waren und sein werden. Hier sind noch viele junge Bäume zu betreuen.

Dies verschärft damit die ohnehin schon vorhandene Situation, dass die Arbeiten an Gehölzen und Grünflächen trotz Extensivierung der Flächen nicht mehr vollständig oder nur in großen zeitlichen Abständen abgearbeitet werden können.

Daher wird auch für die Grünanlagen und Spielplätze darauf geachtet, Baumarten auszuwählen, die möglichst trockenheitstolerant sind. An diesen Standorten werden die Anpflanzungen möglichst aus einer vielfältigen Mischung zusammengesetzt, sodass auch hier die einseitige Allergenbelastung reduziert wird.

In einigen Baugebieten gibt es jedoch auch im Bebauungsplan Vorgaben für die Pflanzenauswahl in den Grünanlagen. Dies ist i. d. R. dann der Fall, wenn die Grünanlagen auch als Kompensationsflächen mit in die Kompensationsbilanz einfließen. Dann sind auch standortheimische Arten zu verwenden.

 

Bäume auf Kompensationsflächen / in der freien Landschaft (z.B. an Feldwegen)

An diesen Standorten gelten für die Pflanzenauswahl besondere Vorgaben. Hier sind standortheimische Gehölze aus bestimmten Herkunftsgebieten zu verwenden.

Dies folgt aus § 40 Bundesnaturschutzgesetz, der die Pflanzung gebietsfremder Gehölze in der freien Landschaft nur mit Genehmigung der Naturschutzbehörde zulässt.

Als gebietseigen werden Gehölzarten bezeichnet, die innerhalb eines geografisch abgegrenzten Naturraums aus Populationen einheimischer Sippen stammen und sich dort über einen langen Zeitraum vermehrt haben. Die Arten kommen mindestens seit dem Mittelalter im Gebiet vor. Gebietseigen in diesem Sinne können nur Wildformen, keine Kultur- und Gartensorten sein.

Alle Gehölze, die diese Kriterien nicht erfüllen, sind als gebietsfremde Gehölze definiert. Durch eine Vermischung mit gebietsfremden Pflanzen der gleichen Art können regionale Anpassungen an Standort und Klima verloren gehen.

 

Allergierisiko allgemein

Da inzwischen der Umfang und die Vielfältigkeit der Allergien zunimmt, wird es sich grundsätzlich nicht verhindern lassen, auch Arten zu pflanzen, die bei einigen Menschen Allergien auslösen. Durch abwechslungsreiche Pflanzungen wird versucht, die entsprechenden Belastungen zu verringern.

An Schulen und Kitas werden nach Möglichkeit keine Gehölze gepflanzt, die ein bekanntermaßen hohes Allergierisiko haben.

Gleichzeitig muss versucht werden, durch testen immer wieder neuer Gehölzarten besonders im innerstädtischen Bereich, langfristig eine grüne Stadt zu erhalten und dadurch die Lebensbedingungen zu sichern.  

 

 

 

 

 

 

(Pollehn)