Betreff
Bebauungsplan 0-73 "Nordwestlich Weserstraße";
Machbarkeitsstudie zur kommunalen Wärmeplanung
Vorlage
BV 2020 1313/1
Aktenzeichen
61.026
Art
Beschlussvorlage
Referenzvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Finanz. Auswirkungen in Euro

Produktkonto

ErgHH

FinHH

Einmalige Kosten:

 

Laufende Kosten:

 

Haushaltsmittel stehen zur Verfügung:

 ja

 nein

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Es wird beschlossen, für das Baugebiet zum Bebauungsplan Nr. 0-73 „Nordwestlich Weserstraße“ eine dezentrale Wärmeversorgung ohne fossile Energieträger vorzusehen.

    

 

 

Sachverhalt und Begründung:

 

Für den Bebauungsplan Nr. 0-73 „Nordwestlich Weserstraße“ wurde eine Machbarkeitsstudie zur kommunalen Wärmeplanung beauftragt, welche die Umsetzbarkeit zentraler Nahwärmenetze mit verschiedenen Energieträgern geprüft und einer Versorgung des Gebietes über dezentrale (individuelle) Wärmeversorgungslösungen gegenüberstellt hat. Insgesamt wurden 10 Varianten betrachtet. Die Erstellung der Studie wurde von der Region Hannover gefördert. Zu den Förderbedingungen gehört unter anderem, dass das Konzept in den politischen Gremien vorgestellt und diskutiert sowie ein Beschluss herbeigeführt wird. Am 06.07.2020 haben daher Vertreter des Ingenieurnetzwerks Energie (ineg) die Ergebnisse der Studie im Ausschuss für Umwelt, Stadtentwicklung und Bau vorgestellt. Ein Beschluss zu der Machbarkeitsstudie steht noch aus.

 

Folgende, für die Stadt Burgdorf ernsthaft in Betracht kommende Varianten aus der Studie werden wie folgt zusammengefasst:

 

Erdgas-BHKW:

 

In der Studie wird dargestellt, dass ein warmes Nahwärmenetz durch die Realisierung von zwei bis drei Blockheizkraftwerken (BHKW) wirtschaftlich abgebildet werden kann (Variante 1 und 9). Damit können sowohl das geplante Baugebiet nordwestlich der Weserstraße sowie ggf. noch weitere Anschlussnehmer (KiTa Pusteblume, E-Center) an das Nahwärmenetz angeschlossen werden.

 

Primärer Energieträger für die BHKW ist Erdgas. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ab 2021 ein CO2-Preis eingeführt wird. Der jährlich steigende CO2-Preis wurde im Rahmen der Studie nicht in der Kalkulation eingepreist.

 

Eine Umstellung auf (bilanzielles) Biogas ist zwar ohne Änderungen an den BHKW möglich, jedoch sind die Kosten für Biogas im Vergleich zu „herkömmlichem“ Erdgas mehr als doppelt so hoch, sodass das BHKW nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnte oder die Endverbraucher*innen unverhältnismäßig hohe Preise für die Abnahme der Wärme zahlen müssten. Dies ist auch der Variante 4 der Machbarkeitsstudie zu entnehmen.

 

Unter Klimaschutzaspekten stellt ein Nahwärmenetz auf Basis eines Erdgas-BHKW allenfalls eine Brückentechnologie dar, die insbesondere für dicht besiedelte Bestandsquartiere oder Geschäftsbezirke/Gewerbegebiete geeignet ist. Der Ausstoß an CO2 pro Jahr wird für das Baugebiet bei einem Erdgas-BHKW mit etwa 68.000 kg beziffert (siehe Machbarkeitsstudie S. 31 Abb. 14 oben) und liegt damit unter den dargestellten dezentralen Varianten. Dies liegt daran, dass die Bilanzierung der CO2-Emissionen auf Basis des deutschen Strommixes erfolgt. Da derzeit noch ein hoher Anteil des deutschen Stroms in Kohle- und Atomkraftwerken erzeugt wird, erhalten die BHKW durch die gleichzeitige Erzeugung von Wärme und Strom einen Bonus bei der Bilanzierung der CO2-Emissionen. Je höher der Anteil an erneuerbaren Energien am deutschen Strommix wird, desto weniger Vorteile ergeben sich durch die BHKW, da eine strombasierte Wärmeversorgung künftig immer weniger CO2 emittieren wird. Die CO2-Emissionen bei der Verbrennung von Erdgas werden hingegen gleichbleiben.

 

 

Dezentrale Lösungen:

 

Zu den dezentralen Lösungen gehören alle Technologien, die eine individuelle Wärmeversorgung einzelner Gebäude ermöglichen. Im Rahmen der Studie wurden dabei insbesondere der Gasbrennwertkessel mit Unterstützung durch Solarthermie, die Pelletheizung, die Luft-Wasser-Wärmepumpe und die Sole-Wasser-Erdwärmepumpe im Endkundenvergleich betrachtet, um die Wirtschaftlichkeit für die Endverbraucher*innen gegenüber dem Erdgas-BHKW zu vergleichen (siehe Machbarkeitsstudie S. 34 f.). Sowohl Gasbrennwertkessel mit Solarthermie als auch die Sole-Wasser-Erdwärmepumpe sind im Vergleich zum Anschluss an ein Nahwärmenetz für die Endverbraucher*innen wirtschaftlicher.

 

Die Sole-Wasser-Erdwärmepumpe wurde als wirtschaftlichste dezentrale Variante auch bei den CO2-Emissionen mit den betrachteten Nahwärmenetzes verglichen. Diese liegen mit etwa 71.000 kg CO2/Jahr knapp über den CO2-Emissionen des Erdgas-BHKW (siehe Machbarkeitsstudie S. 31 Abb. 14 oben). Dies ist darauf zurückzuführen, dass als Energieträger für den (strombasierten) Betrieb der Wärmepumpe vom deutschen Strommix mit einem derzeit sehr hohen Anteil an fossilen Brennstoffen ausgegangen wurde (siehe auch Erläuterungen zum Erdgas-BHKW). Der Betrieb einer Wärmepumpe durch Photovoltaik würde dazu führen, dass die Wärmepumpe sogar klimaneutral eingesetzt werden könnte.

 

 

 

Bisher hatte die Stadtverwaltung die Realisierung eines Nahwärmenetzes auf Basis eines Erdgas-BHKW favorisiert und dies auch in der politischen Beratung zum Bebauungsplan Nr. 0-73 „Nordwestlich Weserstraße“ so kommuniziert. Um auf Erfahrungen aus der Region Hannover zurückzugreifen, hat die Verwaltung Kontakt mit der Klimaschutzagentur Region Hannover gGmbH aufgenommen. In gemeinsamen Gesprächen wurden die Vor- und Nachteile einer zentralen und dezentralen Wärmeversorgung noch einmal diskutiert. Die Erfahrungen, die bei der Realisierung des Baugebietes „Nördlich Zilleweg, 1. Abschnitt“ mit den Auflagen zum Bau von Passivhäusern gemacht wurden (hier wurden nur etwa 50 % der Gebäude als Passivhaus errichtet), führten bei der Verwaltung zur Skepsis hinsichtlich der Umsetzbarkeit einer dezentralen Wärmeversorgung. Die Klimaschutzagentur konnte hier jedoch Erfahrungen aus anderen Kommunen, insbesondere in den vergangenen Jahren, einbringen und die Befürchtungen ausräumen.

 

Für die Umsetzbarkeit einer klimafreundlichen, dezentralen Wärmeversorgung in dem Baugebiet sind demnach folgende Bausteine zu beachten:

 

  • Ausschluss einer Gasversorgung: In dem Baugebiet sollte – anders als z.B. im Baugebiet „Nördlich Zilleweg, 2. Abschnitt“ – keine Versorgung mit Gas angeboten werden. Da lt. Angaben der Klimaschutzagentur zahlreiche klimafreundlichere (und wirtschaftlichere) Möglichkeiten zur Wärmeversorgung bestehen, die unabhängig von einem Gasanschluss umsetzbar sind, stellt eine solche Regelung auch keine unangemessene Härte für die künftigen Bauherr*innen dar.

 

  • Regenerative Energieträger: Beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie wurden bereits erste Informationen zu oberflächennaher Geothermie eingeholt (insbesondere zu Erdwärmesonden). Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Nutzung von Erdwärmesondern im Plangebiet grundsätzlich ohne Einschränkungen möglich sein sollte. Das LBEG rät zur Durchführung eines Thermal Response Tests und einer Auslegungsanalyse. Dabei wird anhand einer Probebohrung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der Sonden die notwendige Tiefe für die Erdwärmesonden ermittelt. Diese Erkenntnisse kann man im Rahmen der Vermarktung der Flächen an potentielle Bauträger weitergeben und somit mögliche Hürden zur Nutzung von Geothermie frühzeitig aus dem Weg räumen. Selbst wenn die oberflächennahe Nutzung von Geothermie von einigen Bauherr*innen nicht genutzt werden sollte: eine Versorgung durch Luft-Wasser-Wärmepumpen bei dementsprechend ambitionierteren Gebäudeenergiestandards ist problemlos möglich.

 

  • Energiestandards über Städtebauliche Verträge: Anders als im Baugebiet „Nördlich Zilleweg, 1. Abschnitt“ können nach aktueller Rechtsprechung wirksame Vertragsstrafen nicht im Rahmen von Grundstückskaufverträgen geregelt werden. Für städtebauliche Verträge trifft dies nicht zu. Hier können Gebäudeenergiestandards festgelegt und mit entsprechenden Strafen bei Nicht-Einhaltung versehen werden. Die Klimaschutzagentur rät jedoch dazu, eher ein Anreizprogramm zu schaffen, in dem die Grundstückspreise gebietsweit angehoben und als Förderung bei Einhalten der vorgeschriebenen Standards wieder ausgeschüttet werden. Dies würde sich insbesondere für die Vermarktung der Grundstücke an einzelne Bauherr*innen anbieten.

Für die Vermarktung der Mehrfamilien- und Reihenhausflächen kommt ohnehin nur eine Ausschreibung an Investoren infrage. Dabei können bereits in der Ausschreibung verschiedene Kriterien festgelegt werden, nach denen der Zuschlag vergeben wird. Ein wichtiger Baustein kann dabei auch das Energiekonzept sein. Bei einer Entscheidung für die Veräußerung der Einfamilienhausgrundstücke über Bauträger lässt sich dieses Verfahren ebenfalls anwenden.

 

  • Kommunikation / Werbung: Die Klimaschutzagentur rät dazu, dass mögliche Bauherr*innen im Vorfeld der Vermarktung ausführlich über die Anforderungen an das Bauen in dem Baugebiet informiert werden. Hierzu bieten sich Informationsveranstaltungen, gezielte und gestufte Beratungsangebote, Broschüren oder ähnliches an. So wird eine Akzeptanz für die vor Ort geltenden Vorschriften geschaffen.

 

Fazit

 

Mit den zuvor genannten Parametern ist die Entwicklung eines klimaneutralen Baugebiets (bezogen auf die Energieversorgung) wirtschaftlich umsetzbar. Die Stadtverwaltung hat sich daher dazu entschieden, einer dezentralen, nicht fossilen Versorgung den Vorzug zu geben. Für den Bebauungsplan hat dies keine Auswirkungen, da hier keine Festsetzungen für die Errichtung von zentralen Versorgungsanlagen erfolgen müssen und Festsetzungen zu Energiestandards oder ähnlichem ohnehin nicht möglich sind. Eine Verzögerung des Bauleitplanverfahrens ist daher durch den Wechsel von einem zentralen Nahwärmenetz zu einer dezentralen Wärmeversorgung nicht zu erwarten. Die Details zur Gestaltung des Ausschreibungsverfahrens mit der Festlegung der Vergabekriterien sowie die Details zu den städtebaulichen Verträgen (mit oder ohne Förderanteil) müssen dann erst im nächsten Schritt bis zur Vermarktung erfolgen.

 

Nach Ansicht der Stadtverwaltung ist die Wärmeversorgung über dezentrale (individuelle) Lösungen (d.h. keine Gasversorgung innerhalb des Baugebietes) und die Festlegung von Gebäudeenergiestandards die zukunftsfähigste Lösung. Dies entspricht auch der Zusammenfassung aus der Machbarkeitsstudie. So kann eine innovative, klimafreundliche Wärmeversorgung ohne Anschlusszwang der Bauherren wirtschaftlich realisiert werden. Es wird daher empfohlen, einen Beschluss zugunsten der dezentralen und erneuerbaren Wärmeversorgung für das Baugebiet „Nordwestlich Weserstraße“ zu fassen.

 

 

Anlagen: siehe Anlagen zur Referenzvorlage BV 2020 1313

 

 

 

(Pollehn)