Betreff
Leistungsorientierte Entgelte für Laufbahnbeamtinnen und -beamte
hier: Rückforderung
Vorlage
2012 0213
Aktenzeichen
11-Ko/Wey
Art
Beschlussvorlage

Finanz. Auswirkungen in Euro

Produktkonto

ErgHH

FinHH

Einmalige Kosten:

     

Laufende Kosten:

     

Haushaltsmittel stehen zur Verfügung:

 ja

 nein

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Gem. § 12 Abs. 2 S. 3 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) wird von der Rückforderung der den Laufbahnbeamtinnen und Laufbahnbeamten der Stadt Burgdorf für die Jahre 2009 und 2010 gezahlten Leistungsprämien abgesehen.

 

Sachverhalt und Begründung:

 

Im Oktober 2005 wurde über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für kommunale Arbeitgeber die Verpflichtung begründet, ein betriebliches System zur leistungsorientierten Bezahlung ihrer Tarifbeschäftigten einzuführen. Danach ist zusätzlich zum festen Tabellenentgelt auch ein Leistungsentgelt zu zahlen.

Dienststelle und Personalrat hatten in der Folge eine entsprechende Dienstvereinbarung abgeschlossen, die zum 01.01.2009 in Kraft getreten ist.

 

Leistungsorientierte Entgelte sollen öffentliche Dienstleistungen verbessern, die Effektivität und Effizienz der Organisation und Prozesse steigern und zugleich vor allem auch die Motivation, Eigenverantwortung und Führungskompetenz stärken. Ein System zur Einführung von Leistungsanreizen kann nur dann erfolgreich sein, wenn es flächendeckend angewendet wird und die gesamte Mitarbeiterschaft, egal ob tarifbeschäftigt oder verbeamtet, gleichermaßen einbezieht.

 

Aus diesem Grund hat der Rat in seiner Sitzung am 29.10.2009 beschlossen, für die Beamtinnen und Beamten ein System der leistungsorientierten Bezahlung in Anlehnung an die Regelungen des TVöD einzuführen und die hierfür benötigten Haushaltsmittel bereitzustellen.

 

Auf der Grundlage dieses Ratsbeschlusses ist mit dem Personalrat auch für die Beamtinnen und Beamten (ausgenommen Beamte auf Zeit, Ehrenbeamte, Beamte auf Widerruf und Ruhestandsbeamte) eine entsprechende Dienstvereinbarung abgeschlossen und rückwirkend zum 01.01.2009 in Kraft gesetzt worden.

An die Laufbahnbeamtinnen und -beamten wurden

2009 insgesamt 10.966,56 € und

2010 insgesamt 14.057,48 € als Leistungsentgelte, d. h. ausnahmslos als Leistungsprämien ausgezahlt.

 

Die Nieders. Kommunalprüfungsanstalt (NKPA) – jetzt Landesrechnungshof – hat in ihrem Bericht über die überörtliche Prüfung der Stadt Burgdorf (Haushaltsjahre 2007 bis 2009) vom 16.05.2011 „die Argumentation der Stadt unter dem Gesichtspunkt einer beabsichtigten erfolgreichen Verwaltungssteuerung als in sich schlüssig“ bezeichnet, gleichwohl aber aus rechtlichen Gründen die unverzügliche Einstellung der Leistungsentgeltzahlungen an die Beamtinnen und Beamten auf der Basis der Dienstvereinbarung gefordert.

 

Dieser Forderung ist die Verwaltung nachgekommen – mit Schreiben vom 29.08.2011 an den Personalrat wurde die Dienstvereinbarung (für die Beamten) seitens der Dienststelle gekündigt. 

 

Mit Rundschreiben Nr. 13/2011 (15.01) vom 20.07.2011 hat die Kommunalaufsicht die regionsangehörigen Kommunen unter Hinweis auf den MI Erlass vom 06.07.2011 um einen Bericht über die örtliche Leistungsentgeltpraxis für Beamtinnen und Beamte gebeten. Dieser Bericht ist mit Schreiben vom 09.08.2011 erfolgt. Ergänzend wurde der Kommunalaufsicht auf deren Nachfrage vom 24.11.2011 mit Schreiben vom 28.11.2011 u. a. mitgeteilt, dass die Dienstvereinbarung ‚Leistungsorientierte Entgelte für Beamte‘ im Jahre 2011 und in der Zukunft keine Anwendung mehr findet und für die Gewährung von Leistungsentgelten nunmehr ausschließlich die Leistungsprämien und –zulagenverordnung (NLPZVO) zu Grunde gelegt wird.

 

 

 

Mit Schreiben vom 05.01.2012 wurde seitens der Kommunalaufsicht mitgeteilt, dass sie dem MI berichtet hat. Gleichzeitig wurde von ihr darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der Rückforderung von unrechtmäßig gezahlten Entgelten zu prüfen ist und ggf. verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten wären.

 

Am 02.02.2012 trafen sich Vertreter des Niedersächsischen Städtetages (NST), des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB) und verschiedener betroffener Städte und Gemeinden zu einem Gedanken- und Erfahrungsaustausch.

Bei dieser Gelegenheit wurde von Seiten der Kommunalen Spitzenverbände die vom MI vertretene Rechtsauffassung dargelegt und die Absicht zu erkennen gegeben, mit dem MI und dem MF das Gespräch über die auch aus ihrer Sicht angeratene Anpassung der NLPZVO zu suchen.

 

Mit Schreiben vom 15.05.2012 verwies die Kommunalaufsicht darauf, dass die disziplinarrechtliche Relevanz der Leistungsentgeltgewährung und – wie mit Schreiben vom 05.01.2012 aufgegeben - die Möglichkeit der Rückforderung von unrechtmäßig gezahlten Entgelten zu prüfen ist.

 

Eine Rückforderung der in den Jahren 2009 und 2010 als Einmalzahlungen geleisteten Leistungsentgelte wäre nach § 12 Abs.2 BBesG i.V.m. § 812 BGB grds. möglich, wenn und soweit Bezüge (als solche sind die Leistungsentgelte zu bewerten) ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden.

 

Die ursprünglich vertretene Rechtsauffassung, dass die Laufbahnbeamtinnen und –beamten auf der Grundlage einer mit dem Personalrat abgeschlossenen Dienstvereinbarung in ein dadurch flächendeckendes Leistungsentgeltsystem eingebunden werden können, zumal jeweils im Einzelfall und auch in der Gesamtsumme erheblich geringere Prämien gezahlt wurden, als dies nach der NLPZVO möglich gewesen wäre, ist nach heutiger (Er-)Kenntnis nicht haltbar. Insoweit sind die Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt.

 

Die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge richtet sich nach §§ 812 ff BGB. Sie ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn die Bereicherung weggefallen ist (§ 818 Abs.3 BGB).

 

Die Beamtin / der Beamte ist auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen. Macht er den Wegfall der Bereicherung geltend, so ist er aufzufordern, sich innerhalb einer angemessenen Frist über die Höhe seiner Einkünfte während des Überzahlungszeitraums und über deren Verwendung zu äußern.

 

Der Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Bezüge bleibt jedoch ohne Rücksicht auf den Wegfall der Bereicherung bestehen, wenn und soweit die Bezüge ausdrücklich unter Rückforderungsvorbehalt gewährt wurden oder der Besoldungsempfänger den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung kannte oder nachträglich erfuhr.

 

Die Rechtswidrigkeit der Zahlung hätte von den Beamtinnen und Beamten nicht erkannt werden müssen, da ein vom Dienstherrn mit dem Personalrat vereinbartes Leistungssystem umgesetzt wurde, dem zudem ein Ratsbeschluss zugrunde lag.

 

In den Schreiben an die Beamtinnen und Beamten (Leistungsentgeltempfänger) wurde als Fußnote der Hinweis gegeben, dass die Auszahlung unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Rückforderung erfolgt. In Anbetracht dessen ist davon auszugehen, dass der Anspruch auf Rückzahlung ohne Rücksicht auf den evtl. Wegfall der Bereicherung bestehen bleibt.

 

Allerdings kann aus Billigkeitsgründen (§ 12 Abs.2 S.3 BBesG) von der Rückforderung überzahlter Bezüge abgesehen werden. Ob ein solcher Verzicht auf die Rückforderung aus Billigkeitsgründen zum Tragen kommen kann, ist nach der Rechtsprechung des BVerwG seitens der Dienststelle vor einer Rückforderung zu prüfen.

Die Entscheidung über einen Billigkeitserlass ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen und bedarf nach Nr. 12.2.17 der Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) der Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle. Die oberste Dienstbehörde ist gemäß § 107 Abs. 5 NKomVG der Rat.

 

Die Laufbahnbeamtinnen und –beamten haben jeweils im Einzelfall und auch in der Gesamtsumme erheblich geringere Prämien erhalten, als dies nach der NLPZVO als zulässige Rechtsgrundlage möglich gewesen wäre. Durchschnittlich erhielten die Empfängerinnen und Empfänger Einmalzahlungen von 391,66 Euro im Jahr 2009 und 484,74 Euro im Jahr 2010. Den Prämien stehen prämienwürdige Leistungen gegenüber.

Tatsächlich wird auch davon auszugehen sein, dass das ausgezahlte Geld verbraucht wurde und nicht mehr verfügbar ist.

 

Entscheidungserheblich kann darüber hinaus auch ein (Mit)Verschulden der Behörde an der Überzahlung sein. Ein derartiges Verschulden der Stadt ist m.E. hier gegeben.

 

Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Burgdorf wurde mit Datum vom 04.11.2009 mitgeteilt, dass der Rat der Stadt in seiner Sitzung vom 29.10.2009 die Einführung einer leistungsorientierten Bezahlung auch für die Beamtinnen und Beamten beschlossen hat und dass daraufhin mit dem Personalrat eine einvernehmliche Dienstanweisung „Leistungsorientierte Entgelte für Beamte“ abgeschlossen wurde. Zur ordnungsgemäßen Umsetzung und Koordination der leistungsorientierten Bezahlung wurde zudem eine Betriebliche Kommission aus 6 Mitgliedern eingerichtet. Entsprechend den Vorgaben dieser Dienstvereinbarung erfolgte dann die Auszahlung des Leistungsentgelts für 2009 und 2010.

 

Die einzelnen Beamtinnen und Beamten konnten demzufolge darauf vertrauen, dass die Auszahlung der Leistungsprämie dem geltenden Recht entsprechend ausgestaltet war. Für die erst 2011 aufgeflammte Diskussion über die Unrechtmäßigkeit dieser pauschalen Zahlungen gab es zum Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung und für die Zahlungsempfänger keinerlei Anhaltspunkte.

 

Daher sollte aus Billigkeitsgründen gem. § 12 Abs. 2 S. 3 BBesG von der Rückforderung der den Laufbahnbeamtinnen und Laufbahnbeamten in den Jahren 2009 und 2010 gezahlten Leistungsprämien abgesehen werden.

 

Das Rechnungsprüfungsamt hat keine Einwände gegen ein solches Vorgehen erhoben.

 

Der Personalrat unterstützt die Beschlussvorlage. Die Gleichstellungsbeauftragte ist über den Sachverhalt informiert.

 

Nach meiner Auffassung ist der Stadt Burgdorf kein finanzieller Schaden entstanden, da - wie bereits zuvor ausgeführt - die NLPZVO im Einzelfall und auch in der Gesamtsumme erheblich höhere Prämien als die den Laufbahnbeamtinnen und Laufbahnbeamten in den fraglichen Jahren tatsächlich gezahlten zugelassen hätte. Insofern hielte ich Schadensersatzansprüche gem. § 48 Beamtenstatusgesetz gegen städt. Beamte für unbegründet. Unstrittig ist zwischenzeitlich jedoch, dass die Gewährung von Leistungsprämien an Beamte nur auf die NLPZVO gestützt und ggf. unter Berufung hierauf hinsichtlich der Regressnahme eine andere Rechtsauffassung vertreten werden kann.

 

Der Rat bzw. das einzelne Ratsmitglied kann nach § 54 Abs. 4 NKomVG wegen des im Oktober 2009 zur Einführung von Leistungsentgelten für Beamte gefassten Beschlusses nicht haftbar gemacht werden (vgl. Thiele, Nds. Kommunalverfassungsgesetz, Erl. 5 zu § 54).