Betreff
Bildung einer Erschließungseinheit - „Baugebiet Ehlershäuser Weg“
Vorlage
BV 2022 0346
Aktenzeichen
60.042.000-2019/000073
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Die Erschließungsanlagen „Max-Fodimann-Weg“, „Friedchenweg“ und „Erich-Bähre-Weg“ im Baugebiet Ehlershäuser Weg in Ramlingen-Ehlershausen werden zu einer Erschließungseinheit zusammengefasst. D.h., der Erschließungsaufwand wird in einer Beitragsabrechnung zusammengefasst.      

 

Sachverhalt und Begründung:

 

Das Baugebiet Ehlershäuser Weg besteht aus den Straßen „Wolfgang-Kreysel-Weg“, „Friedchenweg“, „Erich-Bähre-Weg“ und „Max-Fodimann-Weg“.

 

Die Baugrundstücke werden inklusive der Erschließungsbeiträge sowie zuzüglich eines Abwasserbeitrages für Schmutzwasser (zusätzlich zum Kaufpreis zu zahlen) verkauft. Zusammen mit dem Grundstückskaufvertrag wird mit den Erwerbern eine Vereinbarung über die Ablösung des Erschließungsbeitrages geschlossen.

Damit die Ablösung der Erschließungsbeiträge erfolgen kann, wurde eine entsprechende Kalkulation der voraussichtlichen Erschließungsbeiträge aufgestellt.

 

Für die Kalkulation der Erschließungsbeiträge ist die Bestimmung der Straßen als Abrechnungsanlagen notwendig. Es ist bei der Bestimmung dieser einzelnen Abrechnungsanlagen auf die „natürliche Betrachtungsweise“ abzustellen, d.h. es kommt auf das Erscheinungsbild der Anlagen (z.B. Straßenführung, Straßenbreite, Straßenausstattung) an.

 

Nach dem beiliegenden Plan (Anlage 1) gibt es im Baugebiet die Planstraßen A, B1, B2, B3, B4 und C sowie Privatwege. Die Fahrbahn der Planstraßen B1 und B2 soll in Asphaltbauweise hergestellt werden. Die übrigen Planstraßen A, B3, B4 und C sowie die Privatwege erfolgen in Pflasterbauweise.

 

Die Straße „Wolfgang-Kreysel-Weg“ (Planstraße A – lila Anlage) im westlichen Teil des Plangebietes stellt aufgrund der Lage unzweifelhaft eine eigenständige Abrechnungsanlage dar.

 

Die Planstraße B1/B2 („Max-Fodimann-Weg/Friedchenweg“ – blaue Anlage) führt durch den östlichen Teil des Plangebiets und stellt aufgrund ihrer natürlichen Betrachtungsweise, wie den Straßenaufbau mit Asphaltdecke, eine beitragsrechtliche Anlage dar. Von ihr geht im nordöstlichen Bereich eine ca. 40 m lange unselbstständige Stichstraße (Planstraße C) ab; sie stellt als Sackgasse ein „Anhängsel“ der Anlage „Max-Fodimann-Weg/Friedchenweg“ dar.

 

Im südwestlichen Teil des Geltungsbereichs befindet sich die Anlage B3/B4 („Erich-Bähre-Weg/Friedchenweg“ – orangene Anlage), die im Süden von der Anlage B1/B2 abgeht und im Westen wieder in sie einmündet.

 

Zu entscheiden ist, ob für die Planstraßen im östlichen Teil des Plangebietes (B1/B2, C und B3/B4) eine Erschließungseinheit gebildet werden kann und der Erschließungsaufwand daher gemeinsam ermittelt werden darf. Eine Erschließungseinheit nach § 130 Abs. 1 S. 3 BauGB setzt die funktionelle Abhängigkeit selbstständiger Erschließungsanlagen voneinander voraus. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Erschließungseinheit auch dann vor, „wenn von derselben Hauptstraße nicht nur eine, sondern mehrere funktional von ihr abhängige Nebenstraßen abzweigen“ (BVerwG, Urteil vom 30.01.2013 – 9 C 1.12). Eine funktionelle Abhängigkeit kann angenommen werden, wenn die Anlieger der einen Anlage (Nebenstraße) auf die Benutzung der anderen Anlage (Hauptstraße) angewiesen sind, um das übrige Straßennetz der Gemeinde zu erreichen.

 

Wie beschrieben geht die Anlage B3/B4 im Süden von der Anlage B1/B2 ab und mündet im Westen wieder in sie ein. Eine anderweitige verkehrsmäßige Anbindung an das übrige Straßennetz erfolgt nicht; diese erfolgt lediglich über den Hauptstraßenzug B1/B2. Grundsätzlich kommt daher die Bildung einer Erschließungseinheit in Frage, da die Anlage B3/B4 auf den Hauptstraßenzug B1/B2 (mit C) angewiesen sind und eine funktionelle Abhängigkeit besteht.

 

Gemäß § 130 Abs. 2 S. 3 BauGB liegt es im Ermessen der Gemeinde, den Erschließungsaufwand für die Anlagen einzeln oder gemeinsam zu ermitteln. Im Rahmen der Ermessensausübung ist eine Prognoseberechnung durchzuführen, ob die gemeinsame Abrechnung zu einer Mehrbelastung der Anlieger des Hauptstraßenzuges führt.

 

Dabei ist das Ermessen nach der gängigen Rechtsprechung grundsätzlich dann auf Null reduziert, wenn bei getrennter Abrechnung die Grundstücke an der regelmäßig aufwendig hergestellten Hauptstraße (hier: B1/B2 mit dem Anhängsel C) im Vergleich mit den Grundstücken an der regelmäßig weniger aufwendig hergestellten Nebenstraße (hier: B3/B4) um mehr als ein Drittel höheren Kosten belastet würden, bemessen nach dem für die Erschließungsanlage sich ergebenden Beitragssatz in EUR pro qm beitragspflichtiger Veranlagungsfläche (BVerwG, Urteil vom 10.06.2009, 9 C 2.08).

 

Der zu erwartende Erschließungsaufwand wurde für die Anlage B1/B2 mit dem Anhängsel C sowie Anlage B3/B4 getrennt ermittelt. Ferner wurden die Anlagen zu einer Erschließungseinheit zusammengefasst, so dass auch hier der Beitragssatz ermittelt werden konnte.

 

Folgende Beitragssätze wurden anhand der drei Prognoseberechnungen ermittelt:

 

Abrechnungsanlage

Beitragsfähiger Aufwand

Umlagefähiger Aufwand

(abzgl. 10 % kommunaler Anteil)

Maßstabswerte

Beitragssatz €/qm

Planstraße B1/B2, C

961.774,69 €

865.597,22 €

19.018,09 qm

45,51441376

Planstraße B3/B4

725.549,32 €

652.994,39 €

14.832,25 qm

44,02530917

 

 

 

 

 

Erschließungseinheit

1.687.324,01 €

1.518.591,61 €

28.099,34 qm

54,0436754

 

Der direkte Vergleich der Beitragssätze pro qm in der getrennten Abrechnung zeigt, dass die „Hauptanlage B1/B2, C“ 1,49 € mehr pro qm zu zahlen hat. Die Kosten sind damit nicht um mehr als ein Drittel höher, sodass eine Ermessensreduktion auf Null nicht gegeben ist.

 

Aus der Tabelle zur Prognoseberechnung ergibt sich, dass die durchschnittlichen Beitrags-sätze bei getrennten Abrechnungen um ca. 9,27 € niedriger sind als bei der Abrechnung als Erschließungseinheit. Dieser Umstand erklärt sich daraus, dass bei der Betrachtung der einzelnen Grundstücksbeiträge zwei Grundstücke im Baugebiet (im Plan rot markiert) bei der getrennten Abrechnung aufgrund der Mehrfacherschließung für beide Abrechnungsanlagen Beiträge zahlen müssten. Die Maßstabswerte sind dementsprechend auch bei den einzelnen Abrechnungsanlagen höher als bei der gemeinsamen Erschließungseinheit. Für das Flurstück 17/28 wäre der Beitragssatz bei den einzelnen Abrechnungen um 7,07 €/qm höher und beim Flurstück 17/42 (Geschosswohnbau) um 43,81 €/qm höher als bei der Bildung einer Erschließungseinheit. Insgesamt müssten damit die Käufer der beiden o.g. Grundstücke bei der getrennten Abrechnung ca. 190.000 € Erschließungsbeiträge mehr bezahlen und würden dadurch rund 34 % der Gesamtkosten tragen. Dieser Umstand ist bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen und unter Punkt 3 der Ermessenentscheidung weiter ausgeführt.

 

Das zustehende Ermessen ist abzuwägen. Innerhalb der Ermessensentscheidung sind die verschiedenen Interessen miteinander abzuwägen.

 

Folgende Punkte werden dabei beleuchtet:

 

1.    Wenn man die Beiträge der Einzelabrechnung zur Hauptstraße (B1/B2, C) mit denen der Erschließungseinheit vergleicht, ist festzustellen, dass diese Grundstücke im Durchschnitt 10.000 € mehr zahlen müssen.

 

Grundsätzlich soll die Zusammenfassung nicht zu einer Mehrbelastung der „Hauptstraße“ führen. Entscheidend ist hier, ob sie beitragsmäßig wesentlich höher belastet werden. Nach gängiger Rechtsprechung ist eine Höherbelastung von mehr als 25 % nicht mehr als hinnehmbare Bagatellgrenze zu akzeptieren. Hier hätten die Anlieger der Hauptstraße eine Mehrbelastung von ca. 20 % hinzunehmen.

 

2.    Bei der Nebenanlage (B3/B4) handelt es sich um ein Anhängsel. Diese steht in funktionaler Abhängigkeit zur Hauptstraße, da den Anliegern die Nutzung des gemeindlichen Verkehrsnetzes nur über die Hauptstraße offensteht. Eine weitere Verbindung der Nebenstraße zu anderen Straßen besteht nicht. Den Anliegern der Nebenstraße entsteht somit ein Vorteil durch die Nutzung der Hauptstraße.

 

3.    Das zentral im westlichen Erschließungsgebiet liegende Grundstück (Plan Flurstücknummer 17/42) würde bei einer Einzelabrechnung zu einem 1,5fach-höheren Beitrag gegenüber der Erschließungseinheit herangezogen werden. Dies übersteigt den Vorteil der Mehrfacherschließung im großen Maß.

 

Der Erschließungsvorteil für das mehrfach erschlossene Grundstück schlägt sich finanziell unverhältnismäßig stark zu Lasten der späteren Eigentümer nieder. Die Mehrfachbelastung der übrigen Grundstückseigentümer stellt bezogen auf die Grundstücksgrößen eine relativ jeweils geringere Belastung dar, als die Mehrfachbelastung der Grundstücke bei einer Einzelabrechnung.

 

4.    Der Sinn und Zweck der Erschließungseinheit besteht in der bewussten Nivellierung und Umverteilung der Beitragslast. Damit soll ein Ausgleich von Belastungsunterschieden zwischen den Anliegern der betreffenden Erschließungsanlagen erfolgen (entsprechend dem Vorteilsgedanken und dem Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit). Dies kann nur durch die Bildung einer Erschließungseinheit erreicht werden.

 

5.    Der Grundstückskaufpreis wird nach außen hin als einheitlich vermittelt. Bei den Grundstücken für Einfamilienhäuser liegt dieser bei 220€/qm und 110 €/qm für die im Bebauungsplan festgesetzten Flächenanteile „Private Grünfläche“. Für den Bau von Geschosswohnungen liegt der Kaufpreis bei mind. 175€/qm. Die Einnahmen des Grundstückshaushalts schwanken daher; je nach Höhe des Erschließungsanteils.

 

 

 

Ein „Muss“ zur Bildung einer Erschließungseinheit liegt hier unter den gegebenen Umständen nicht vor. Aus den o.g. Gründen erscheint es jedoch sinnvoll, eine Erschließungseinheit zu bilden.

 

Bei der Bildung der Erschließungseinheit handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Stadt, welche aufgrund der Besonderheit der Erschließungseinheit durch die Entscheidung des Rates festgehalten werden sollte.

Angesichts des Ausnahmecharakters dieser Entscheidung (Erschließungseinheiten gibt es nur in seltenen Fällen), ist die Zuständigkeit des Rates hier begründet.

 

   

 

 

 

(Pollehn)