Beschlussvorschlag:
Die Erschließungsanlagen „Max-Fodimann-Weg“, „Friedchenweg“ und „Erich-Bähre-Weg“ im Baugebiet Ehlershäuser Weg in Ramlingen-Ehlershausen werden zu einer Erschließungseinheit zusammengefasst. D.h., der Erschließungsaufwand wird in einer Beitragsabrechnung zusammengefasst.
Sachverhalt und Begründung:
Das Baugebiet Ehlershäuser Weg
besteht aus den Straßen „Wolfgang-Kreysel-Weg“, „Friedchenweg“,
„Erich-Bähre-Weg“ und „Max-Fodimann-Weg“.
Die Baugrundstücke werden
inklusive der Erschließungsbeiträge sowie zuzüglich eines Abwasserbeitrages für
Schmutzwasser (zusätzlich zum Kaufpreis zu zahlen) verkauft. Zusammen mit dem
Grundstückskaufvertrag wird mit den Erwerbern eine Vereinbarung über die
Ablösung des Erschließungsbeitrages geschlossen.
Damit die Ablösung der
Erschließungsbeiträge erfolgen kann, wurde eine entsprechende Kalkulation der
voraussichtlichen Erschließungsbeiträge aufgestellt.
Für die Kalkulation der Erschließungsbeiträge ist die Bestimmung der Straßen als Abrechnungsanlagen notwendig. Es ist bei der Bestimmung dieser einzelnen Abrechnungsanlagen auf die „natürliche Betrachtungsweise“ abzustellen, d.h. es kommt auf das Erscheinungsbild der Anlagen (z.B. Straßenführung, Straßenbreite, Straßenausstattung) an.
Nach dem beiliegenden Plan (Anlage 1) gibt es im Baugebiet die Planstraßen A, B1, B2, B3, B4 und C sowie Privatwege. Die Fahrbahn der Planstraßen B1 und B2 soll in Asphaltbauweise hergestellt werden. Die übrigen Planstraßen A, B3, B4 und C sowie die Privatwege erfolgen in Pflasterbauweise.
Die Straße „Wolfgang-Kreysel-Weg“ (Planstraße A – lila Anlage) im westlichen Teil des Plangebietes stellt aufgrund der Lage unzweifelhaft eine eigenständige Abrechnungsanlage dar.
Die Planstraße B1/B2 („Max-Fodimann-Weg/Friedchenweg“ – blaue Anlage) führt durch den östlichen Teil des Plangebiets und stellt aufgrund ihrer natürlichen Betrachtungsweise, wie den Straßenaufbau mit Asphaltdecke, eine beitragsrechtliche Anlage dar. Von ihr geht im nordöstlichen Bereich eine ca. 40 m lange unselbstständige Stichstraße (Planstraße C) ab; sie stellt als Sackgasse ein „Anhängsel“ der Anlage „Max-Fodimann-Weg/Friedchenweg“ dar.
Im südwestlichen Teil des Geltungsbereichs befindet sich die Anlage B3/B4 („Erich-Bähre-Weg/Friedchenweg“ – orangene Anlage), die im Süden von der Anlage B1/B2 abgeht und im Westen wieder in sie einmündet.
Zu entscheiden ist, ob für die Planstraßen im östlichen Teil des Plangebietes (B1/B2, C und B3/B4) eine Erschließungseinheit gebildet werden kann und der Erschließungsaufwand daher gemeinsam ermittelt werden darf. Eine Erschließungseinheit nach § 130 Abs. 1 S. 3 BauGB setzt die funktionelle Abhängigkeit selbstständiger Erschließungsanlagen voneinander voraus. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Erschließungseinheit auch dann vor, „wenn von derselben Hauptstraße nicht nur eine, sondern mehrere funktional von ihr abhängige Nebenstraßen abzweigen“ (BVerwG, Urteil vom 30.01.2013 – 9 C 1.12). Eine funktionelle Abhängigkeit kann angenommen werden, wenn die Anlieger der einen Anlage (Nebenstraße) auf die Benutzung der anderen Anlage (Hauptstraße) angewiesen sind, um das übrige Straßennetz der Gemeinde zu erreichen.
Wie beschrieben geht die Anlage B3/B4 im Süden von der Anlage B1/B2 ab und mündet im Westen wieder in sie ein. Eine anderweitige verkehrsmäßige Anbindung an das übrige Straßennetz erfolgt nicht; diese erfolgt lediglich über den Hauptstraßenzug B1/B2. Grundsätzlich kommt daher die Bildung einer Erschließungseinheit in Frage, da die Anlage B3/B4 auf den Hauptstraßenzug B1/B2 (mit C) angewiesen sind und eine funktionelle Abhängigkeit besteht.
Gemäß § 130 Abs. 2 S. 3 BauGB liegt es im Ermessen der Gemeinde, den Erschließungsaufwand für die Anlagen einzeln oder gemeinsam zu ermitteln. Im Rahmen der Ermessensausübung ist eine Prognoseberechnung durchzuführen, ob die gemeinsame Abrechnung zu einer Mehrbelastung der Anlieger des Hauptstraßenzuges führt.
Dabei ist das Ermessen nach der gängigen Rechtsprechung grundsätzlich dann auf Null reduziert, wenn bei getrennter Abrechnung die Grundstücke an der regelmäßig aufwendig hergestellten Hauptstraße (hier: B1/B2 mit dem Anhängsel C) im Vergleich mit den Grundstücken an der regelmäßig weniger aufwendig hergestellten Nebenstraße (hier: B3/B4) um mehr als ein Drittel höheren Kosten belastet würden, bemessen nach dem für die Erschließungsanlage sich ergebenden Beitragssatz in EUR pro qm beitragspflichtiger Veranlagungsfläche (BVerwG, Urteil vom 10.06.2009, 9 C 2.08).
Der zu erwartende Erschließungsaufwand wurde für die Anlage B1/B2 mit dem Anhängsel C sowie Anlage B3/B4 getrennt ermittelt. Ferner wurden die Anlagen zu einer Erschließungseinheit zusammengefasst, so dass auch hier der Beitragssatz ermittelt werden konnte.
Folgende Beitragssätze wurden anhand der drei Prognoseberechnungen ermittelt:
Abrechnungsanlage |
Beitragsfähiger
Aufwand |
Umlagefähiger
Aufwand (abzgl. 10 % kommunaler
Anteil) |
Maßstabswerte |
Beitragssatz
€/qm |
Planstraße B1/B2, C |
961.774,69 € |
865.597,22 € |
19.018,09 qm |
45,51441376 |
Planstraße B3/B4 |
725.549,32 € |
652.994,39 € |
14.832,25 qm |
44,02530917 |
|
|
|
|
|
Erschließungseinheit |
1.687.324,01 € |
1.518.591,61 € |
28.099,34 qm |
54,0436754 |
Der direkte Vergleich der Beitragssätze pro qm in der getrennten
Abrechnung zeigt, dass die „Hauptanlage B1/B2, C“ 1,49 € mehr pro qm zu zahlen
hat. Die Kosten sind damit nicht um mehr als ein Drittel höher, sodass eine
Ermessensreduktion auf Null nicht gegeben ist.
Aus der Tabelle zur
Prognoseberechnung ergibt sich, dass die durchschnittlichen Beitrags-sätze bei
getrennten Abrechnungen um ca. 9,27 € niedriger sind als bei der Abrechnung als
Erschließungseinheit. Dieser Umstand erklärt sich daraus, dass bei der
Betrachtung der einzelnen Grundstücksbeiträge zwei Grundstücke im Baugebiet (im
Plan rot markiert) bei der getrennten Abrechnung aufgrund der
Mehrfacherschließung für beide Abrechnungsanlagen Beiträge zahlen müssten. Die
Maßstabswerte sind dementsprechend auch bei den einzelnen Abrechnungsanlagen
höher als bei der gemeinsamen Erschließungseinheit. Für das Flurstück 17/28
wäre der Beitragssatz bei den einzelnen Abrechnungen um 7,07 €/qm höher und
beim Flurstück 17/42 (Geschosswohnbau) um 43,81 €/qm höher als bei der Bildung
einer Erschließungseinheit. Insgesamt müssten damit die Käufer der beiden o.g.
Grundstücke bei der getrennten Abrechnung ca. 190.000 € Erschließungsbeiträge
mehr bezahlen und würden dadurch rund 34 % der Gesamtkosten tragen. Dieser Umstand
ist bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen und unter Punkt 3 der
Ermessenentscheidung weiter ausgeführt.
Das zustehende Ermessen ist
abzuwägen. Innerhalb der Ermessensentscheidung sind die verschiedenen
Interessen miteinander abzuwägen.
Folgende Punkte werden dabei beleuchtet:
1.
Wenn man
die Beiträge der Einzelabrechnung zur Hauptstraße (B1/B2, C) mit denen der
Erschließungseinheit vergleicht, ist festzustellen, dass diese Grundstücke im
Durchschnitt 10.000 € mehr zahlen müssen.
Grundsätzlich soll
die Zusammenfassung nicht zu einer Mehrbelastung der „Hauptstraße“ führen.
Entscheidend ist hier, ob sie beitragsmäßig wesentlich höher belastet
werden. Nach gängiger Rechtsprechung ist eine Höherbelastung von mehr als 25 %
nicht mehr als hinnehmbare Bagatellgrenze zu akzeptieren. Hier hätten die
Anlieger der Hauptstraße eine Mehrbelastung von ca. 20 % hinzunehmen.
2.
Bei der
Nebenanlage (B3/B4) handelt es sich um ein Anhängsel. Diese steht in
funktionaler Abhängigkeit zur Hauptstraße, da den Anliegern die Nutzung des
gemeindlichen Verkehrsnetzes nur über die Hauptstraße offensteht. Eine weitere
Verbindung der Nebenstraße zu anderen Straßen besteht nicht. Den Anliegern der
Nebenstraße entsteht somit ein Vorteil durch die Nutzung der Hauptstraße.
3.
Das
zentral im westlichen Erschließungsgebiet liegende Grundstück (Plan
Flurstücknummer 17/42) würde bei einer Einzelabrechnung zu einem
1,5fach-höheren Beitrag gegenüber der Erschließungseinheit herangezogen werden.
Dies übersteigt den Vorteil der Mehrfacherschließung im großen Maß.
Der Erschließungsvorteil für das mehrfach
erschlossene Grundstück schlägt sich finanziell unverhältnismäßig stark zu
Lasten der späteren Eigentümer nieder. Die Mehrfachbelastung der übrigen
Grundstückseigentümer stellt bezogen auf die Grundstücksgrößen eine relativ
jeweils geringere Belastung dar, als die Mehrfachbelastung der Grundstücke bei
einer Einzelabrechnung.
4.
Der Sinn
und Zweck der Erschließungseinheit besteht in der bewussten Nivellierung und
Umverteilung der Beitragslast. Damit soll ein Ausgleich von
Belastungsunterschieden zwischen den Anliegern der betreffenden
Erschließungsanlagen erfolgen (entsprechend dem Vorteilsgedanken und dem
Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit). Dies kann nur durch die Bildung einer
Erschließungseinheit erreicht werden.
5.
Der
Grundstückskaufpreis wird nach außen hin als einheitlich vermittelt. Bei den
Grundstücken für Einfamilienhäuser liegt dieser bei 220€/qm und 110 €/qm für
die im Bebauungsplan festgesetzten Flächenanteile „Private Grünfläche“. Für den
Bau von Geschosswohnungen liegt der Kaufpreis bei mind. 175€/qm. Die Einnahmen
des Grundstückshaushalts schwanken daher; je nach Höhe des
Erschließungsanteils.
Ein „Muss“ zur Bildung einer Erschließungseinheit liegt hier unter den
gegebenen Umständen nicht vor. Aus den o.g. Gründen erscheint es jedoch
sinnvoll, eine Erschließungseinheit zu bilden.
Bei der Bildung der Erschließungseinheit handelt es sich um eine
Ermessensentscheidung der Stadt, welche aufgrund der Besonderheit der
Erschließungseinheit durch die Entscheidung des Rates festgehalten werden
sollte.
Angesichts des Ausnahmecharakters dieser Entscheidung
(Erschließungseinheiten gibt es nur in seltenen Fällen), ist die Zuständigkeit
des Rates hier begründet.
(Pollehn)