Betreff
Machbarkeitsstudie Wärmeplanung 3. Abschnitt Gewerbepark Nordwest
Bezugsvorlage BV 2020 1197 Bebauungsplan 0-78/2, Aufstellungsbeschluss
Vorlage
BV 2021 1688
Aktenzeichen
61 26 - 00 78/2
Art
Beschlussvorlage
Referenzvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Finanz. Auswirkungen in Euro

Produktkonto

ErgHH

FinHH

Einmalige Kosten:

 

Laufende Kosten:

 

Haushaltsmittel stehen zur Verfügung:

 ja

 nein

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Die Machbarkeitsstudie wird zur Kenntnis genommen.

 

(Ein weitergehender Beschluss[1] zur Umsetzung der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie wird im Rahmen der weiteren Beratung vorgeschlagen, siehe dazu die Hinweise am Ende der Vorlage.)

 

 

 



[1] Beratung im Fachausschuss und Beschlussfassung über die Umsetzung der Inhalte der Machbarkeitsstudie sind Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids zur finanziellen Förderung der Machbarkeitsstudie durch die Region Hannover.

Bereits im Frühjahr 2020 wurde die finanzielle Förderung der Machbarkeitsstudie zur kommunalen Wärmeplanung für den 3. Abschnitt des Gewerbeparks Nordwest bei der Region Hannover beantragt und von dieser zugesagt. Der Auftrag zur Erstellung der Machbarkeitsstudie wurde dann an die target GmbH vergeben. Die target legte die fertige Machbarkeitsstudie bereits im Oktober 2020 vor, aktuell wurden noch kleinere Ergänzungen vorgenommen. Aufgrund anderer prioritär zu bearbeitender Projekte in der Stadtplanungsabteilung konnte die weitere Abstimmung in der Verwaltung sowie mit anderen Beteiligten erst ab Frühjahr 2021 erfolgen.

Die fertiggestellte Machbarkeitsstudie finden Sie in der Anlage I. Im Kapitel 3 werden vier verschiedene energetische Gebäudestandards + zwei Solarvarianten anhand von zwei Modellgebäudetypen (Typ A 400 m² und Typ B 800 m² beheizte Nutzfläche, s. S. 6) miteinander verglichen. Im Kapitel 4 werden fünf verschiedene Wärmeversorgungsvarianten für diese Gebäude verglichen (Gas-Brennwert-Kessel mit Solarthermie, Luft-Wasser-Wärme­pum­pe, Sole-Wasser-Wärmepumpe, Nahwärmenetz mit Erdgas BHKW, Kaltes Nahwärmenetz). Eine zusammenfassende Bewertung aller Wärmeversorgungsvarianten kann der Tabelle am Ende der Machbarkeitsstudie entnommen werden. In der Sitzung des A-USB am 06.09.2021 soll die Machbarkeitsstudie durch die target vorgestellt werden. Als Anlage IV zu dieser Vorlage finden Sie zudem einen rechnerischen Vergleich von drei in der Machbarkeitsstudie untersuchten Wärmeversorgungsvarianten, der im Rahmen der Ausarbeitung der Vorlage als Grundlage für die Abwägungstabelle (s.u.) erstellt wurde.

Im Ergebnis empfiehlt die Machbarkeitsstudie

-      zu den untersuchten energetischen Gebäudestandards (s. Fazit Kap. 3.8, S. 12):      
Den Bau von Gebäuden im KfW EH 40 Standard bzw. im Passivhaus-Standard jeweils mit PV-Anlage zu unterstützen.

-      zu den untersuchten Wärmeversorgungsvarianten (s. Fazit Kap. 5, S. 29):     
Eine dezentrale Wärmeversorgung über Wärmepumpen. Entweder mit Luft-Wasser-Wärmepumpen bzw. bei Inkaufnahme etwas höherer Investitionskosten mit Sole-Wasser-Wärmepumpen.
Ein kaltes Nahwärmenetz, dessen Emissionswerte noch unter den Varianten mit dezentralen Wärmepumpen liegen. Dies setzt voraus: insbesondere Anschlusszwang, relativ zeitgleiche Bebauung und Klarheit über den Energiebedarf der Gebäude.

Grundsätzliche Gespräche zu den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie und zur Entwicklung des Gebiets erfolgten bisher mit der Klimaschutzagentur und den Stadtwerken, s. Anlage II und III.

Bei den Entscheidungen zum weiteren Umgang mit den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie ist zu berücksichtigen:

-      Es gibt weitere Wärmeversorgungsvarianten – auch ohne fossile Energieträger – die in der Machbarkeitsstudie nicht untersucht wurden[1].

-      Die Niedersächsische Landesregierung plant die Einführung einer Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen für Gewerbeneubauten. Ein entsprechender Entwurf zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung (s. ggf. Landtagsdrucksache 18/9393[2]) wird nach der Sommerpause in den Gremien des Landtags weiter beraten werden.

-      Ob die Voraussetzungen für ein kaltes Nahwärmenetz (s.o.) im Rahmen der vorliegenden Angebots-/Vorratsplanung für Gewerbeflächen geschaffen werden könnten, ist derzeit noch unklar. Es liegen der Abteilung Wirtschaftsförderung-/Liegenschaften zwar schon Anfragen für Gewerbegrundstücke vor, nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist aber zu erwarten, dass sich bis zur konkreten Grundstücksentscheidung, die Bedarfe/Wünsche der Interessenten nochmals ändern. Zudem wird bis zur Fertigstellung der Erschließung der neuen Gewerbeflächen noch ein Zeitraum von mind. 11/2 Jahren vergehen. Auch nach dem Verkauf von Gewerbegrundstücken dauert es häufig noch eine geraume Zeit bis zur tatsächlichen Bebauung. Teilweise werden von Gewerbebetrieben vorsorglich auch größere Grundstücke erworben, weil spätere Betriebserweiterungen eingeplant werden. Vor dem Hintergrund dieses unbekannten Realisierungszeitraums und der fehlenden Informationen über die geplanten Gebäude/Betriebe, ist es derzeit unklar, ob ein Wärmeversorger bereit wäre, in ein kaltes Nahwärmenetz zu investieren.

Folgende Fragen sind bei der weiteren Entwicklung des Gewerbeparks zu klären:

1.  Soll darauf verzichtet werden, die Erdgasleitungen in den 3. Abschnitt des Gewerbeparks zu verlängern?    
Bei der Wärmeversorgung aller bzw. eines Großteils der Gewerbebetriebe über Wärmepumpen oder andere nicht auf Erdgas angewiesene Heizsysteme ist eine Erschließung mit einer Erdgasleitung nicht mehr sinnvoll/wirtschaftlich. Zumal die Ansiedlung von Betrieben, die in erheblichem Umfang Prozesswärme benötigen, derzeit nicht zu erwarten ist.   
Damit ein ‘fehlendes‘ Erdgasangebot nicht zu einem Problem bei der Vermarktung der Gewerbegrundstücke wird, wäre umfangreich zum Thema Wärmeversorgung zu informieren. Für manche Betriebe könnte ein Gewerbegebiet ohne die Möglichkeit eines Erdgasanschusses ein Ansiedlungshindernis darstellen.     
Welche Variante der dezentralen Wärmeversorgung die Betriebe wählen, wäre diesen überlassen.  
Weder über Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 b) noch mittels städtebaulichem Vertrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 BauGB kann nach den bisherigen Recherchen der Verwaltung die Verwendung fossiler Energieträger generell ausgeschlossen werden. Grundsätzliche Anforderungen zur Nutzung erneuerbarer Energien bei der Errichtung von Gebäuden enthält das Energiefachrecht, z.B. das Gebäudeenergiegesetz (GEG).[3]

2.  Soll eine zentrale Wärmeversorgung über ein Nahwärmenetz weiterverfolgt werden?
Falls ja, wären Flächenbedarfe für Nahwärmleitungen, die Wärmezentrale und ggf. ein Erdsondenfeld einzuplanen, was für die Vorbereitung des Entwurfes des Bebauungsplans 0-78/2 und die Erschließungsplanung maßgebend ist. Wenn eine leitungsgebundene Energieversorgung nur mit Strom oder ggf. doch Erdgas erfolgen soll, hätte dies für die Bauleitplanung keine Auswirkungen.  
In Zusammenhang mit einem Nahwärmenetz wären neben dem Anschlusszwang ggf. Auflagen zum energetischen Gebäudestandart erforderlich.       
Hinsichtlich einer erforderlichen Nahwärmesatzung nach § 13 NKomVG sowie dem Abschluss eines Betreibervertrags mit den Stadtwerken bzw. der Ausschreibung/Auf­trags­vergabe zur Errichtung und zum Betrieb des Nahwärmenetzes ist zu bedenken, dass dies ein neues/zusätzliches Aufgabengebiet für die Verwaltung wäre.

3.  Welche Konsequenzen sollen für die Vermarktung der Grundstücke gezogen werden?
Sollen Auflagen bei der Vermarktung der Grundstücke zum energetischen Gebäudestandart und/oder zur Wärmeversorgung gemacht werden?   
Will die Stadt z.B. die Errichtung von Wärmepumpen zusätzlich fördern oder soll die Vermarktung ‘nur‘ durch eine intensive Informationskampagne begleitet werden?    
Bei der Variante kaltes Nahwärmenetz wären Auflagen bei der Vermarktung unumgänglich (s.o.).

 

Für die Entscheidungsfindung / Abwägung wurde im Folgenden eine tabellarische Punktebewertung entwickelt. Es wurden dabei nur die aus Sicht der Abteilung Stadtplanung und Umwelt wesentlichen drei Varianten der Machbarkeitsstudie berücksichtigt. Für die beste Variante wurden jeweils 3 Punkte vergeben für die schlechteste 1 Punkt. Die dauerhaften Aspekte wurden dreifach gewichtet, die einmaligen nur einfach. Bei einer anderen Gewichtung und bei der Aufnahme weiterer Aspekte würde sich das Ergebnis verändern!

 

Aspekte

Erdgasversorgung
i.d.R. Gasheizung

Kaltes Nahwärmenetz

Wärmepumpen
ohne Erdgasnetz

CO2-Emissionen

1 Pkt. x 3 = 3 Pkt.

3 Pkt x 3 = 9 Pkt.

2 Pkt. x 3 = 6 Pkt.

monatl. Vollkosten A

2 Pkt. x 3 = 6 Pkt.

1,5 Pkt. x 3 = 4,5 Pkt.

3 Pkt. x 3 = 9 Pkt.

Investitionsunsicherheit
Planungsaufwand

3 Pkt.

1 Pkt.

2 Pkt.

Auflagen bei Bebauung
(z.B. Anschlusszwang, Energiestandard)

3 Pkt.

1 Pkt.

2 Pkt.

Bodeneingriffe B
(z.B. Tiefe, Kontrolle)

3 Pkt.

2 Pkt.

1 Pkt.

Flächenverbrauch C

3 Pkt.

1 Pkt.

2 Pkt.

 

 

 

 

Summe

21 Pkt.

18,5 Pkt.

22 Pkt.

 

A Für die monatlichen Vollkosten (je Gebäude/Betrieb) des Kalten Nahwärmenetzes wurde ein schematisch abweichender Ansatz der Punktevergabe gewählt, weil je nach Gebäudeenergiestandard und Wärmepreis des Wärmelieferanten die Vollkosten ggf. auch niedriger sein können, als bei der Referenzvariante der Machbarkeitsstudie (Gasheizung + Solarthermie) vgl. Anlage IV.

B Der Aspekt Bodeneingriffe wurde aufgrund der Lage im Trinkwassereinzugsgebiet aufgenommen. Bei tieferen Bodeneingriffen besteht grundsätzlich ein höheres Risiko der Grundwasserverschmutzung. Das Kalte Nahwärmenetz wurde besser bewertet, als der Einsatz von Wärmepumpen, weil dabei die Erdwärmegewinnung durch einen zentralen Wärmeanbieter erfolgt. Bei der Wärmepumpenvariante ist zu erwarten, dass ein kleiner Teil der Gewerbebetriebe auch Erdwärmebohrungen vornimmt.  

C Bei dem Aspekt Flächenverbrauch wurde nur das Plangebiet betrachtet. Dieser Ansatz ist natürlich fraglich, denn für die Erdgasgewinnung und den Transport werden andernorts Flächen verbraucht. Wie auf S. 28 der Machbarkeitsstudie ausgeführt, wird für ein kaltes Nahwärmenetz ein zentrales Erdsondenfeld von ca. 3.000 – 5.000 m² Größe benötigt. Die Lösung Wärmepumpen wurde schlechter bewertet, als die Gasheizung, weil i.d.R. der Flächenbedarf auf dem Grundstück etwas höher ist.

 

Hinweise zur weiteren Beschlussfassung:

  1. Ob darauf verzichtet werden soll, die Erdgasleitungen in den 3. Abschnitt des Gewerbeparks zu verlängern, ist im Hinblick auf die Vorbereitung der Erschließungsplanung und die Vermarktung der Grundstücke baldmöglichst zu klären.
  2. Ob eine zentrale Wärmeversorgung über ein Nahwärmenetz weiterverfolgt werden, soll, ist dringend zu klären, damit der Bebauungsplan 0-78/2 weiter vorbereitet werden kann.

 

 

Anlagen:

  1. Machbarkeitsstudie Wärmeplanung 3. Abschnitt Gewerbepark Nordwest in Burgdorf (Oktober 2020 mit Ergänzungen vom 21.07.2021)
  2. Stellungnahme Klimaschutzagentur Region Hannover vom 30.07.2021
  3. Stellungnahmen Stadtwerke Burgdorf vom 16.08.2021
  4. Rechnerischer Vergleich von Varianten der Machbarkeitsstudie

 



[1] Die Machbarkeitsstudie zur Wärmeplanung eines neuen Gewerbe-/Industriegebiets in Gailhof (Wedemark) empfiehlt z.B. als Alternative zu Luft/Wasser-Wärmepumpen Holz-Pelett­heizkessel.
https://www.wedemark.de/allris/vo020.asp?VOLFDNR=1917#searchword

[3] Theoretisch könnte nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 b) BauGB die Verwendung bestimmter baulicher/tech­ni­scher Maßnahmen zur dezentralen Wärmeerzeugung festgesetzt werden. Für das Gewerbegebiet ist es aufgrund der Unterschiedlichkeit der zu erwartenden Gebäude/Vorhaben allerdings sehr fraglich, ob man im Rahmen der Abwägung der unterschiedlichen dezentralen Wärmeversorgungsvarianten eindeutig einer Variante den Vorzug geben kann. Zudem erscheint die auf Dauer angelegte Durchführung einer solchen Festsetzung fraglich, denn bei der wirtschaftlichen Beurteilung der Wärmeversorgungsvarianten hat die aktuelle Fördermittelsituation erheblichen Einfluss.
Städtebauliche Verträge könnten ergänzend zur Konkretisierung und Zielsicherung von Festsetzungen eingesetzt werden. Als Sicherungsinstrument kämen Vertragsstrafen in Betracht. Dabei wäre zu bedenken, dass die Einforderung von Vertragsstrafen von Gewerbebetrieben später ggf. mit den Interessen der Wirtschaftsförderung kollidiert.

(Pollehn)