Betreff
Anschaffung von mobilen Luftreinigern für Kitas und Schulen
Vorlage
M 2020 1406/4
Aktenzeichen
10/Ra
Art
M i t t e i l u n g
Referenzvorlage

Die nachfolgende Mitteilung zum gegenwärtigen Kenntnisstand gebe ich Ihnen für die weiteren Beratungen zur Kenntnis.

 

 

 


Auf die Ursprungsvorlage A 2020 1406 „Anschaffung von mobilen Luftreinigern für Kitas und Schulen, Antrag gem. Geschäftsordnung der FreieBurgdorfer vom 08.10.2020“ und die dazu ergangenen Ergänzungsvorlagen wird Bezug genommen.

 

Hinsichtlich des Einsatzes von mobilen Luftfiltergeräten wurde der Bürgermeister beauftragt zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, insbesondere durch den Einsatz von mobilen Luftreinigern die Gesundheit der Kinder sowie der Mitarbeitenden in den Kindertagestätten und Schulen zu schützen und zugleich den Unterricht in den Schulen und die Betreuung in den Kindertagesstätten auch in Zeiten des Coronavirus zu fördern.

 

Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt ist in seinem Merkblatt vom 26.11.2020 auf diese Fragestellung eingegangen. Das Merkblatt wurde mit der Vorlage M 2020 1406/2 zur Verfügung gestellt.

 

Im Ergebnis hat das Landesgesundheitsamt festgestellt, dass der ergänzende Einsatz von mobilen Luftreinigungsgeräten in der Regel nicht notwendig ist. Ausschließlich in eingeschränkt belüftbaren Räumen wird empfohlen, den Betrieb einer dezentralen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung oder die Nutzung einer mobilen Luftfilteranlage zu prüfen.

 

Mit dem jüngst veröffentlichten Merkblatt zur „Bedeutung mobiler Luftreinigungs-Geräte für Infektionsrisiken durch SARS-CoV-2“ vom 28.01.2021 bekräftigt das Niedersächsische Landesgesundheitsamt die Einhaltung der Grundregeln Abstand, Hygiene, Atemmaske – und Lüften (AHA-L) als wirksamste Schutzmaßnahme. Anderslautende „Expertenmeinungen“ sind hinsichtlich ihrer Aussagekraft und der getroffenen Annahmen in jedem Einzelfall sehr genau zu prüfen. Dies ist insbesondere für die Beurteilung erforderlich, ob die partikuläre Betrachtung der Stellungnahme unter den realen Bedingungen eines gesamten Schullalltages, der bestehenden unterschiedlichen Gebäude bzw. Räume sowie sonstigen Voraussetzungen tatsächlich noch einen belastbaren Rückschluss über eine Verringerung des realen Infektionsrisikos zulässt. Weiter heißt es in dem Merkblatt: Nach derzeitigem Wissensstand sind „Tröpfchen“ weiterhin als der vorherrschende Übertragungsweg von SARS-CoV-2 anzunehmen.

 

Das Merkblatt ist der Vorlage als Anlage 1 beigefügt. Der Prüfung dürfte in den Kindertageseinrichtungen eine besondere Bedeutung zukommen, da sich Kontakte zwischen den Kindern wie auch zwischen den Kindern und den pädagogischen Mitarbeitenden nicht vermeiden lassen. Zwei der wirksamsten Grundregeln, nämlich das Abstand halten wie auch das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung lassen sich in den Kindertageseinrichtungen nicht durchgängig umsetzen.

 

Auch das Umweltbundesamt hat Anfang Dezember Empfehlungen zur Reduzierung des Infektionsrisikos in Schulen veröffentlicht (Anlage 2). In diesen wird der Einsatz von mobilen Luftreinigern nicht als Ersatz für das Stoßlüften mit Frischluft empfohlen. Das Bundesumweltamt führt dazu aus: „Mobile Lufteinigungsgeräte sind nicht dafür ausgelegt, verbrauchte Raumluft abzuführen beziehungsweise Frischluft von außen heranzuführen; sie leisten daher keinen nennenswerten Beitrag, das entstehende Kohlendioxid (CO2), überschüssige Luftfeuchte und andere Stoffe aus dem Klassenraum zu entfernen…“.

 

Sowohl das Landesgesundheitsamt als auch das Umweltbundesamt machen mit ihren Empfehlungen auf ein allgemein bestehendes Problem aufmerksam. Das richtige Lüftungsverhalten!

 

Für Klassenzimmer wie auch für die Gruppenräume in den Kindertageseinrichtungen gilt gleichermaßen, dass eine regelmäßige Lüftung zum Ersatz der verbrauchten Luft erforderlich ist.

 

In den städtischen Kindertageseinrichtungen wie auch in den Schulen befinden sich CO²-Ampeln im Einsatz. Ab einer erreichten CO²-Konzentration von 1.000 ppm ist das Lüften erforderlich. Aus den städtischen Kindertageseinrichtungen habe ich die Rückmeldung erhalten, dass der Wert im Mittel nach 25-30 Minuten erreicht wird. Die Intervalle haben sich mit der Reduzierung der Betreuungsplätze im Rahmen der Notbetreuung verlängert.

 

Die in Burgdorf mit dem Einsatz der CO²-Ampeln gewonnenen Erkenntnisse bestätigen mithin die Auffassung des Landesgesundheitsamtes, dass auch bei Betrieb von mobilen Luftreinigungsgeräten die 20:5:20 Lüftungsregel in Schulen bzw. die 30:5:30 Lüftungsregel in Kindertageseinrichtungen weiterhin zu beachten ist. Wenn der Raum mit wenigen Personen genutzt wird, können die Lüftungsintervalle zeitlich ausgedehnt werden.

 

Nach Rücksprache mit Luftfiltergeräteherstellern können Luftfiltergeräte allenfalls dazu beitragen, den Lüftungsvorgang mittels einer Boost-Funktion zu unterstützen und damit die Lüftungsdauer von 5 auf 2-3 Minuten reduzieren. Der eintretende Wärmeverlust ist insbesondere im Winter unverändert gleich.

 

Das Gespräch wurde bspw. mit einem Luftfiltergerätehersteller gesucht, der sich gegenwärtig im Austausch mit einer regionsangehörigen Kommune zur Testung eines Gerätes befindet. Der Kontakt wurde zuvor mit der Kommune aufgenommen, um im Fall der Testung an den gewonnenen Erkenntnissen teilhaben zu können. Gegenwärtig ist jedoch noch nicht entschieden, ob die Testung umgesetzt wird. Luftfiltergerätehersteller sind gegenwärtig noch nicht in der Lage, die in einer Testphase gewonnenen Erkenntnisse wissenschaftlich verwertbar aufzubereiten.

 

Seitens des Anbieters wurde im Gespräch auf eine Studie des Institutes für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München verwiesen, welches ausführlich auf die Effizienz von mobilen Luftfiltergeräten eingeht.

 

Die Empfehlungen des Landesgesundheitsamtes, dass der ergänzende Einsatz von mobilen Luftreinigungsgeräten in der Regel nicht notwendig ist, sind laut der Studie dann in Frage zu stellen, wenn sich mehrere infizierte Personen gleichzeitig im Raum aufhalten. Die Studie sagt dazu folgendes aus:

 

Ferner entsteht bei der Stoßlüftung die Frage, in welchen Abständen und für wie lange gelüftet werden soll. Regelmäßig wird eine CO2 Ampel als Lösung des Problems angepriesen. Es wird dabei unterstellt, dass der CO2Wert mit der Virenlast im Raum korreliert. Diese Unterstellung ist aber falsch. (…) Wenn 10 gesunde Personen in einem Raum sind, wird sich nach einer gewissen Zeit eine bestimmte CO2 Konzentration ergeben und die Virenlast ist Null. Wenn 5 Personen heraustreten und dafür 5 infizierte Personen eintreten, dann wird sich am Verlauf der CO2Konzentration kaum etwas ändern, aber die Virenlast im Raum steigt sehr schnell an und damit das indirekte Infektionsrisiko. (…) Es könnte eingewendet werden, dass die Zahl der infizierten Personen klein ist und daher zu erwarten wäre, dass sich in den meisten Klassen keine oder allenfalls eine infizierte Person statistisch befindet. Das ist gegenwärtig sicherlich richtig, allerdings müssen zwei Dinge berücksichtigt werden. Zum einen ist zu befürchten, dass die derzeit niedrige Zahl der Infizierten im Winter stark ansteigen wird. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich infizierte Personen in den Klassenräumen aufhalten.

 

Durch die Bundesforschungsministerin Anja Karliczek wurde am 08.02.2021 die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) S3-Leitlinie zu „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ veröffentlicht (Anlage 3).

 

Zum Einsatz von mobilen Luftfiltergeräten enthält die Leitlinie gegenwärtig folgende Gesamtbewertung:

 

Die Maßnahme "mobile Luftreinigung als Ergänzung zum Lüften" hat positive und negative gesundheitliche Wirkungen, denen weitreichende negative Wirkungen im Bereich der anderen Entscheidungskriterien gegenüberstehen, insbesondere im Hinblick auf finanzielle und ökologische Folgen sowie Machbarkeit. Insgesamt überwiegen nach Einschätzung der Expert*innen weder die positiven noch die negativen Wirkungen, so dass die Maßnahme erwogen werden kann.

 

Beim Verabschiedungsprozess dieser Kurzfassung äußerte der Vorstand der DGPH (Deutsche Gesellschaft für Public Health e.V.) erhebliche Einwände gegen die Formulierung der Empfehlung mit dem Hinweis auf die zu kurze Zeit für die Diskussion der Voraussetzungen und der kritischen Aspekte. (…) Im Rahmen der Erstellung der Langversion der S3-Leitlinie wird die Empfehlung vertieft besprochen und bei Bedarf eine Änderung bzw. erneute Abstimmung eingeräumt.

 

Inwieweit die Leitlinien von Bund und Land aufgegriffen werden, bleibt abzuwarten. Da es sich um eine Publikation der Bundesforschungsministerin handelt, soll an dieser Stelle gleichwohl umfassend informiert und darauf hingewiesen werden. Eine Überarbeitung dieser Leitlinie wurde für Mai 2021 in Aussicht gestellt.

 

Eine wissenschaftliche Aufarbeitung wie auch Beurteilung ist der Stadt Burgdorf an dieser Stelle nicht möglich.

 

Mit Blick auf die bestehenden Empfehlungen, insbesondere der Empfehlung vom 28.01.2021 des Landesgesundheitsamtes, kann gegenwärtig aber auch keine Empfehlung zum Einsatz von mobilen Luftfiltergeräten vorgenommen werden. Die Bewertung des Landesgesundheitsamtes muss an dieser Stelle abgewartet werden. Sobald weitere Erkenntnisse vorliegen, werde ich umgehend berichten.

 

Sollte gleichwohl über einen Einsatz nachgedacht werden, sollte sich dieser entsprechend der Empfehlungen des Landesgesundheitsamtes auf Räume beschränken, die nicht optimal belüftbar sind.

 

Hinsichtlich der Refinanzierung bestehen nur eingeschränkte Fördermittelmöglichkeiten.

 

Die Empfehlungen des Umweltbundesamtes wie auch des Landesgesundheitsamtes sind aktuell die Expertise, die dem landes- aber auch bundesweiten Handeln zugrunde gelegt werden. An diesen Empfehlungen ausgerichtet, orientiert sich auch die Fördermittelfähigkeit.

 

 

Fördermittel des Landes:

 

Mit dem Schutz-Paket des Niedersächsischen Kultusministeriums soll die sächliche Schutzausstattung in den Schulen verstärkt werden. Das Land führt dazu Folgendes aus:

 

Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sollen von einer intensivierten Ausstattung mit zum Beispiel Plexiglasschutzwänden- oder „Wechselmasken“ als Ersatz für durchfeuchtete oder von Schülerinnen und Schüler vergessene Mund-Nasen-Bedeckungen profitieren. Zudem können von den Schulen FFP2-Masken zum Eigenschutz der Lehrkräfte angeschafft werden.

Unter bestimmten Bedingungen und nachrangig können in besonderen Ausnahmefällen auch unterstützende Luftfilteranlagen beschafft werden. Damit verstärken und flankieren wir unser Lüftungskonzept 20-5-20, das weiterhin das Mittel der Wahl ist.

 

Das Land Niedersachsen hat Ende Dezember zudem den Entwurf zur neuen Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Investitionen in Tageseinrichtungen für Kinder im Alter von drei Jahren den Jugendhilfeträgern zukommen lassen. Der Entwurf enthält folgenden Passus:

 

Zu den förderfähigen Ausstattungsmaßnahmen (…) zählen auch Investitionen, die der Umsetzung von Hygienekonzepten dienen. Die Anmietung von Luftreinigungsgeräten kann in Einzelfällen für Betreuungsräume gefördert werden, soweit der Raum nicht oder nur eingeschränkt über die Fenster regelmäßig gelüftet werden kann. Die Förderung der Anmietung von Luftreinigungsgeräten gilt nachrangig zu den übrigen genannten Investitionen. Der Einsatz darf nur vorübergehend erfolgen.

 

Wann die Fördermittelrichtlinie in Kraft tritt, steht noch nicht fest.

 

Fördermittel des Bundes:

 

Über die Förderrichtlinie „Bundesförderung Corona-gerechte Um- und Aufrüstung von raumlufttechnischen Anlagen in öffentlichen Gebäuden und Versammlungsstätten“ ist ausschließlich die Um- oder Aufrüstung bestehender Raumlufttechnischer (RLT-)-Anlagen in öffentlichen Gebäuden fördermittelfähig. Mobile Raumluftfiltergeräte sind nicht fördermittelfähig.

 

 

Derzeit bestehende Handlungsmöglichkeiten:

 

Insbesondere aus energetischen Gründen und zur Erreichung von gesetzten Klimaschutzzielen hat sich die Fachabteilung Gebäudewirtschaft bereits seit längerem mit der Fragestellung des Lüftens in Kindertageseinrichtungen wie auch Schulen auseinandergesetzt.

 

Für Abhilfe können Zu- und Abluftanlagen, im Idealfall mit Wärmerückgewinnungseinheiten (WRG), die den anerkannten technischen Regeln entsprechen, sorgen.

 

Raumlufttechnische Anlagen mit WRG setzen sich seit 2007 mit der EnEV (Energieeinsparverordnung) langsam durch. Da die EnEV und neuerdings auch GEG (Gebäudeenergiegesetz - Nachfolger von EnEV seit Okt. 2020) strenge Forderungen zur Energieeinsparung stellen, kann ein Neubau kaum noch ohne Lüftung mit WRG gebaut werden.

 

Für den Neubau des KiTa-Familienzentrums wurde mit der Wahl des Niedrigenergiehausstandards KFW55 entschieden, für alle Bereiche gebäudeteilebezogene Lüftungsanlagen mit WRG einzubauen. Für den Schulneubau RBG (IGS) sind für die Klassenräume und Räume / Säle mit Menschenansammlungen Lüftungen mit WRG vorgesehen (Vorgabe der TU-Ausschreibung).

 

Dies sollte grundsätzlich der Standard für Sanierungen und Neubauten aller Nutzungseinrichtungen sein.

 

Der Anbau der Kindertageseinrichtung Pusteblume und der Anbau der Kindertageseinrichtung Otze verfügen über Lüftungen mit WRG in den Schlafräumen der Krippen und im Küchenbestand. Die Küchenlüftung sorgt zugleich für einen Luftaustausch im innenliegenden langgestreckten Flur ohne Fenster. Durch die Lüftungserweiterung soll zugleich der Wärmestau im Sommer über Nacht abgebaut werden (Nachtkühlung über Lüftungsprinzip ohne Klima-Umluftgeräte).

 

Sofern auch über eine Nachrüstung von Lüftungsanlagen im Bestand nachgedacht werden soll, müsste die Umsetzbarkeit in den Kindertageseinrichtungen wie auch in den Schulen von entsprechenden Fachingenieuren geprüft werden.

 

 

 

 

 

 

(Pollehn)