Betreff
Klärschlammentsorgung und innovative Abwasseraufbereitung
Vorlage
BV 2020 1207
Aktenzeichen
66.047.004
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Finanz. Auswirkungen in Euro

Produktkonto

ErgHH

FinHH

Einmalige Kosten:

 

Laufende Kosten:

 

Haushaltsmittel stehen zur Verfügung:

 ja

 nein

 

Beschlussvorschlag:

 

1.    Es wird eine Ausschreibung zur verfahrensoffenen thermischen Verwertung (Monoverbrennung/Mitverbrennung) des auf der Kläranlage Burgdorf anfallenden Klärschlamms für ca. 5-10 Jahre durchgeführt, mit der Maßgabe der Verwertung mittels Monoverbrennung nach Bereitstellung von zusätzlichen Marktkapazitäten. Eine Garantie zur kontinuierlichen Klärschlammabnahme wird abgefordert.

2.    Es werden Versuche zur Ermittlung der Entwässerbarkeit und Lagerung des Klärschlammes unter Einsatz von Polymeren bei der Schlammkonditionierung vorab durchgeführt und eine Umstellung der Schlammkonditionierung in Abhängigkeit von den Ergebnissen vorgenommen.

3.    Der Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 25.06.2019 zur Beauftragung der Planung des Klärschlammlagers wird zurückgenommen und das Klärschlammlager nicht gebaut.

4.    Überlegungen zur Anwendung von innovativen Verfahren zur Abwasserreinigung werden erst wieder angestellt, wenn Investitionssicherheit durch Schaffung entsprechender Randbedingungen von Seiten des Gesetzgebers besteht.

 

Sachverhalt und Begründung:

 

Mit Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 25.06.2019 zur Vorlage-Nr. BV 2019 0862/1 „Klärschlammverwertung – zukünftige Ausrichtung“ wurde der Bürgermeister beauftragt, die Alternativen zur landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung „Klärschlammtrocknung, Klärschlammvererdung“ und „keramische Membranen“ sowie innovative Lösungen in der Abwasseraufbereitung zu prüfen.

 

Die Ergebnisse wurden im Rahmen einer von der PFI Planungsgemeinschaft GmbH & Co. KG, Hannover durchgeführten Studie ermittelt und sind im Bericht „Studie Klärschlammentsorgung und innovative Prozesse für die Kläranlage Burgdorf“ aus Februar 2020 dargestellt. Aus urheberrechtlichen Gründen ist die Studie im Bürgerinformationssystem der Stadt Burgdorf nicht eingestellt.

 

Ergebnisse:

 

  1. Klärschlammverwertung

 

1.1         Monetärer Faktor (Kostenvergleich von Varianten) [Seite 64]

 

Die günstigsten Kosten (annähernd gleich) weisen die drei Varianten:

 

·         landwirtschaftliche Verwertung mit Notfalllager

·         thermische Verwertung (Verbrennung in Monoverbrennungsanlagen)

·         landwirtschaftliche Verwertung mit geplantem Zwischenlagerbetrieb

auf, gefolgt von:

·         thermische Verwertung mit vorheriger Trocknung auf dem Gelände der Kläranlage (beide betrachteten Verfahren), vor

·         landwirtschaftliche Verwertung mit vorheriger Vererdung des Klärschlammes, vor

·         thermische Verwertung mit dem Pyreg-Verfahren

 

 

1.2         Nicht monetäre Faktoren [Seite 81-83]

 

Bei einer reinen Bewertung der betrachteten nicht monetären Faktoren „Entsorgungssicherheit, Platzbedarf, CO2-Emissionen, P-Rückgewinnung (Phosphorrückgewinnung) und Geruch“ unter Berücksichtigung der in der Studie benannten beispielhaften Wichtungen, ergibt sich in etwa die nachfolgende Reihenfolge der Verfahren (Reihenfolge nach abnehmenden Bewertungspunkten):

·         thermische Verwertung (Verbrennung in Monoverbrennungsanlagen)

·         thermische Verwertung mit vorheriger Trocknung auf dem Gelände der Kläranlage (beide betrachteten Verfahren)

·         landwirtschaftliche Verwertung (mit und ohne Zwischenlagerbetrieb) und thermische Verwertung mit dem Pyreg-Verfahren

·         landwirtschaftliche Verwertung mit vorheriger Vererdung des Klärschlammes

 

 

1.3         Wichtung monetär/nicht monetär mit 50/50 % und 30/70 % [Seite 82]

 

Sowohl bei einer beispielhaften Wichtung des monetären Faktors und der nicht monetären Faktoren mit jeweils 50 % als auch bei einer mit 30/70 % schneidet die „thermische Verwertung“ mit deutlichem Abstand vor den Varianten „landwirtschaftliche Verwertung mit und ohne Zwischenlagerbetrieb“ sowie „thermische Verwertung mit vorheriger Trocknung“ mit wiederum deutlichem Abstand vor „landwirtschaftliche Verwertung mit vorheriger Vererdung“ und „thermische Verwertung mit dem Pyreg-Verfahren“ ab.

 

In der Studie wird dieses wie folgt bewertet: „Es wird deutlich, dass die thermische Verwertung des Klärschlamms für beide Wichtungsvarianten das mit Abstand am besten bewertete Entsorgungskonzept ist“ [Seite 82] sowie „Es wird deutlich, dass die Variante der externen thermischen Entsorgung des entwässerten Klärschlamms sowohl hinsichtlich der monetären Kriterien als auch der nicht monetären Kriterien das mit Abstand am besten bewertete Schlammentsorgungskonzept ist. Alle Kriterien erhalten bei dieser Variante überdurchschnittliche Bewertungen“ [Seite 84].

 

 

1.4         Mittel- bis langfristige Empfehlung der PFI

 

„Als Resultat der Auswertung wird die Umsetzung der Variante der externen thermischen Verwertung des entwässerten Schlamms der Kläranlage Burgdorf empfohlen. Die Variante beinhaltet, wie in Kapitel 5.3 beschrieben, die Umstellung der Schlammkonditionierung von Kalk-Eisen-Gemisch auf Polymere und den Bau eines Schlammlagers mit einem Nutzvolumen von 200 m3 zur notfallmäßigen Speicherung des entwässerten Klärschlamms über einen Zeitraum von bis zu 4 Wochen“ [Seite 84].

Zu berücksichtigen ist hierbei: „Langfristig muss bei der thermischen Verwertung von Klärschlamm mit zusätzlichen Kosten für eine technische P-Rückgewinnung aus der Klärschlammasche gerechnet werden. Zum aktuellen Zeitpunkt können allerdings keine Prognosen darüber gemacht werden, wie hoch diese zusätzlichen Kosten tatsächlich sein werden.“ [Seite 54].

 

 

1.5         Aktuelle Handlungsempfehlung der PFI

 

„Eine Möglichkeit der langfristigen Umsetzung der Vorzugsvariante mit kurzfristiger Verbesserung der Entsorgungssituation wäre der zeitnahe Bau eines Notfalllagers (200 m3) und die Weiterverfolgung der landwirtschaftlichen Entsorgung, solange ein Entsorgungsvertrag mit einem Abnehmer des Schlamms abgeschlossen werden kann, der über entsprechende Zwischenlagerkapazitäten verfügt. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ausreichende Kapazitäten zur Klärschlamm-Monoverbrennung zur Verfügung stehen, könnte schließlich die Umstellung der Schlammkonditionierung erfolgen und der Schlamm dann thermisch verwertet werden.“ [Seite 85].

 

 

1.6         Bewertung durch die Verwaltung

 

Die PFI empfiehlt die thermische Verwertung des Klärschlammes in der Monoverbrennung unter Berücksichtigung einer Umstellung der Schlammentwässerung und unter Einbindung eines zu schaffenden Notfalllagers in einer Größe von 200 m3, wenn ausreichende Kapazitäten zur Klärschlamm-Monoverbrennung zur Verfügung stehen.

Es ist davon auszugehen, dass derzeit diese Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen, aber durch den Bau von neuen Monoverbrennungsanlagen geschaffen werden. Nach aktuellen Planungen will EEW in 2022 mit der vorgesehenen Anlage in Helmstedt (Anlage bereits in Bau) und Enercity in etwa zur gleichen Zeit mit der vorgesehenen Anlage in Hannover-Lahe in den Regelbetrieb gehen. Bis dahin ist davon auszugehen, dass eine Entsorgung des Burgdorfer Klärschlammes in der Landwirtschaft oder in der Mitverbrennung (bis 2029 ohne Phosphorrückgewinnung zulässig) erfolgen muss.   

Zu der Aussage der PFI zur fehlenden Möglichkeit einer Prognose hinsichtlich der Phosphorrückgewinnung [Seite 54] sei angemerkt, dass Betrachtungen unter Berücksichtigung von optimistischen Ansätzen zukünftig eine kostenneutrale P-Rückgewinnung nicht ausschließen. Für derartige Aussagen dürfte es jedoch noch „viel zu früh“ sein, da verlässliche Aussagen zur Akzeptanz und Weiterverarbeitung des gewonnenen Phosphors mit seiner speziellen Beschaffenheit durch die Düngemittelhersteller noch nicht möglich sind.

 

Zu beachten ist, dass insbesondere bei jeglicher Umstellung des Entsorgungsweges ein besonderes Augenmerk auf vorhandene Zwischenlagerkapazitäten für Störungen des Entsorgungsweges zu legen ist. Es liegen weder Erfahrungen für die Abwicklung bei der Monoverbrennung noch für die Abwicklung bei der Mitverbrennung vor, weshalb der Markt und die genauen Risiken nur schwer abgeschätzt werden können. Bei Belieferung einer neu in Betrieb zu nehmenden Klärschlamm-Monoverbrennung wie in Helmstedt oder Hannover-Lahe gilt dieses besonders bzw. werden Störungen/Engpässe bei der Klärschlammabnahme in der Einfahrphase, die mit mehreren Monaten anzunehmen ist, sehr wahrscheinlich. Es wird deutlich, dass ausreichende Zwischenlagerkapazitäten hier besonders wichtig sind.

 

Dieses gilt umso mehr, als das bei einer Umstellung der Schlammkonditionierung von „Kalk-Eisen“ auf „Polymere“ nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Verwertung des Klärschlammes in der Landwirtschaft dann evtl. nicht mehr ohne Weiteres möglich ist, da dann der von den Landwirten bevorzugte Kalkanteil gegen synthetische Polymere ausgetauscht wird.

 

Eine Ausschreibung der Klärschlammentsorgung mittels reiner Monoverbrennung mit Umstellung der Schlammkonditionierung kann zum jetzigen Zeitpunkt auf Grund der noch nicht vorhandenen Entsorgungskapazitäten nicht empfohlen werden, was sich mit den Ergebnissen der Studie deckt.

Um die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung gem. Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 25.06.2019 zur Vorlage Nr. BV 2019 0862/1 zurückfahren zu können, bietet sich dann vorerst nur die Möglichkeit einer Ausschreibung mit verfahrensoffener thermischer Verwertung (Verbrennung/Mitverbrennung) an, bei der auch Angebote zur Mitverbrennung ermöglicht werden.

Eigene Klärschlammnotfalllagerflächen sind erforderlich, sofern nicht ein breit aufgestellter Entsorger, der über Zwischenlagerflächen und über genügend Entsorgungskapazitäten möglichst für mehrere Entsorgungswege verfügt, als Vertragspartner gefunden werden kann. Eine Markterkundung hat ergeben, dass derartige Kapazitäten am Markt vorhanden sind bzw. eine entsprechende Ausschreibung auch bedient werden kann.

 

Als Alternative wurde Kontakt mit der aha bezüglich anzumietender Lagerflächen auf der Deponie Kohlenfeld oder garantierter Notfallentsorgungswege durch Mitverbrennung bei der thermischen Abfallverwertung aufgenommen und die Möglichkeiten von vertraglich zu vereinbarenden Garantien gegen Kostenerstattung geprüft. Hierzu wurde seitens der aha jedoch mitgeteilt, dass Garantien hierfür nicht gewährt werden können.

 

Gem. Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 25.06.2019 wurde der Bürgermeister beauftragt, einen Planungsauftrag für den Bau eines Klärschlammlagers mit der Möglichkeit zur Nachrüstung eines Daches bei Bedarf in Kürze zu erteilen. Dieser Auftrag zur Planung des Lagers ist auch auf Grund der Bestrebungen zur Herbeiführung eines Bürgerentscheids nicht erteilt worden. Sofern der Bau eines Lagers dennoch nicht erfolgen soll, ist der Beschluss auch formell zurückzunehmen.

 

Zur Umstellung der Klärschlammkonditionierung/-entwässerung ist zu erwähnen, dass sich die Eigenschaften des entwässerten Klärschlammes hierdurch ändern. Zu erwarten ist, dass durch die Umstellung keine maßgebliche Veränderung der Entwässerbarkeit des Schlammes, jedoch eine Verschlechterung der Lagerungseigenschaften eintritt. Dieses könnte bedeuten, dass zur genügend großen Vorhaltung von Klärschlamm für den Transport von mindestens einer LKW-Ladung zusätzliche Maßnahmen wie z.B. die Einbindung eines Containers erforderlich sind. Für eine gesicherte Einschätzung der Auswirkungen und hierdurch ggf. erforderliche zusätzliche Maßnahmen sollen Versuche durchgeführt werden, bevor eine endgültige Umstellung vorgenommen wird.   

Nach Abschluss der Versuche könnten die Leistungen zur thermischen Verwertung über einen mehrjährigen Zeitraum von 5-10 Jahren und im Anschluss die Umstellung der Klärschlammkonditionierung ausgeschrieben werden.

 

 

1.7         Empfehlung zur weiteren Vorgehensweise

 

Ich schlage vor:

 

-      eine Ausschreibung zur verfahrensoffenen thermischen Verwertung (Monoverbrennung/Mitverbrennung) des auf der Kläranlage Burgdorf anfallenden Klärschlamms für ca. 5-10 Jahre durchzuführen, mit der Maßgabe der Verwertung mittels Monoverbrennung nach Bereitstellung von zusätzlichen Marktkapazitäten z.B. ab 2023. Eine Garantie zur kontinuierlichen Klärschlammabnahme auch bei auftretender Verzögerung der Verwertung ist mit auszuschreiben und vom Bieter durch vorhandene Zwischenlagerkapazitäten nachzuweisen.

 

-      vorab Entwässerungsversuche mit Polymere sowie Versuche zur Lagerung des Klärschlammes im vorhandenen Bunker durchzuführen und eine Umstellung der Schlammkonditionierung nach Ausschreibung der thermischen Verwertung in Abhängigkeit von den Versuchsergebnissen vorzunehmen.

 

-      den Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 25.06.2019 zur Beauftragung der Planung des Klärschlammlagers auch formell zurückzunehmen.

 

Die zeitliche Abfolge von „Versuche, Ausschreibung, Umstellung der Konditionierung“ verringert die Risiken bei der Klärschlammentsorgung und trägt somit zu einer Erhöhung der Entsorgungssicherheit bei.

 

Die Entwicklung des Entsorgungsmarktes sowie die Umsetzungen zum Bau der geplanten Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen werden weiterhin beobachtet und das Thema ggf. nochmals in die politischen Gremien getragen.

 


 

  1. Innovative Verfahren der Abwasserreinigung

 

2.1         Betrachtete Verfahren

 

Im Rahmen der Studie wurden folgende Verfahren betrachtet:

 

·       Pulveraktivkohledosierung mit Filtration

·       Filtration mit granulierter Aktivkohle

·       Ozondosierung

·       Sonstige Verfahrensvarianten einschl. Membranen

 

 

2.2         Empfehlungen der PFI

 

„Mittelfristig ist davon auszugehen, dass kommunale Kläranlagen in der Größe der Anlage Burgdorf mit einer 4. Reinigungsstufe ausgestattet werden müssen. Die damit verbundenen Investitionen sollten allerdings erst dann erfolgen, wenn diese Verfahrensstufe gesetzgeberisch gefordert ist und/oder entsprechende Fördergelder zur Umsetzung zur Verfügung gestellt werden. Auch werden erst dann die gesetzlich geforderten Eliminations- bzw. Einleitparameter festgelegt werden, nach denen solche Anlagen dimensioniert werden können.“ [Seite 98].

„Die Anwendung der innovativen Verfahren, die zumeist eine 4. Reinigungsstufe darstellen, kann auf der Kläranlage Burgdorf derzeit nicht empfohlen werden, da hier von Seiten des Gesetzgebers zunächst entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen.“ [Seite 100].

 

 

2.3         Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise

 

Ich schlage vor,

 

Überlegungen zur Anwendung von innovativen Verfahren zur Abwasserreinigung bzw. einer 4. Reinigungsstufe erst wieder anzustellen, wenn Investitionssicherheit durch Schaffung entsprechender Randbedingungen von Seiten des Gesetzgebers besteht.

 

(Pollehn)