Betreff
Städtebauliche und architektonische Konzepte für Wohnprojekte "Selbstbestimmt Leben im Alter" der Ostland eG und der Südheide eG
Vorlage
2008 0386
Aktenzeichen
6115-0006
Art
Beschlussvorlage

Finanz. Auswirkungen in Euro

Haushaltsstelle

VwH

VmH

Einmalige Kosten:

0 €

     

Laufende Kosten:

0 €

     

Haushaltsmittel stehen zur Verfügung:

 ja

 nein

 

 

Beschlussvorschlag:

 

1. Der Bauausschuss

 

-        nimmt Kenntnis vom Entwurfsstand der projektierten Seniorenwohnprojekte der beiden Wohnungsgenossenschaften Ostland eG und Südheide eG und

 

-        empfiehlt, die vorgestellten Konzepte als Grundlage für die weitere Bearbeitung der in einem nächsten Bearbeitungsschritt anstehenden Änderungen der entsprechenden Bebauungspläne zu verwenden.

 

2. Der Verwaltungsausschuss

 

-        beschließt, die in der Bauausschusssitzung vorgestellten Konzepte als Grundlage für die weitere Bearbeitung der in einem nächsten Bearbeitungsschritt anstehenden Änderungen der entsprechenden Bebauungspläne zu verwenden.

 

Sachverhalt und Begründung:

 

In regelmäßiger Folge wurde im vertraulichen Teil der Bauausschusssitzungen über mögliche (Wohn-) Projekte für ein selbstbestimmtes Leben im Alter in Burgdorf berichtet. Diesbezüglich sei auf die Ausschusssitzungen am 06.08.2007, am 01.10.2007, am 04.12.2007 und am 05.05.2008 verwiesen.

Mittlerweile sind in Burgdorf drei Wohnprojekte zu diesem Thema mehr oder weniger konkret geplant. Es handelt sich hierbei um Projekte der Wohnungsbaugenossenschaft Ostland (Südstadt, Peiner Weg), der Wohnungsbaugenossenschaft Südheide (Südstadt, Kreitwinkel) und des Architekten Remes (Weststadt). Die Projekte wurden ausführlicher im Rahmen der Sitzung des Seniorenrats am 22.05.2008 und des Sozialausschusses am 05.06.2008 vorgestellt (vgl. entsprechendes Protokoll und die unten dargestellten Planskizzen).

Für die beiden Projekte in der Südstadt wird eine Änderung der jeweils bestehenden Bebauungspläne (Bebauungspläne Nr. 0-05 „Peiner Weg/ Duderstädter Weg/ Ringstraße “ und Nr. 0-09 „Im Kreitwinkel“) erforderlich.

Wie im Rahmen einer Mitteilung im öffentlichen Teil der Sitzung des Bausschusses am 09.06.2008 angekündigt, sollen zunächst die einer Änderung der jeweiligen Bebauungspläne zugrunde liegenden konkreten Gebäudeentwurfe und konzeptionellen Ansätze von den Vorsitzenden der beiden Genossenschaften bzw. den beauftragten Architekten im Verlauf der Bausschusssitzung ausführlich vorgestellt werden. In dieser Sitzungsvorlage erfolgt daher lediglich eine Kurzbeschreibung der Projekte.

Über die Einleitung entsprechender Änderungsverfahren der betroffenen Bebauungspläne kann dann in einer der folgenden Sitzungen des Bauausschusses entschieden werden.

 

Vorhaben der Ostland eG:

 

 

Die Wohnungsgenossenschaft OSTLAND eG plant, einen Wohntreff (Nachbarschaftstreff) als Pflege- und Betreuungsstützpunkt sowohl für die eigenen Mieter als auch für andere Südstadtbewohner im Umkreis von ca. 1 km einzurichten. Als Standort hierfür ist der städtebaulich exponiert gelegene Bereich des ehemaligen Ladenlokals Peiner Weg 21 vorgesehen, welches durch einen Neubau ersetzt werden soll.

Im Erdgeschoss des Neubaus wird der Nachbarschaftstreff mit Pflege- und Betreuungsstützpunkt einziehen. Es bleiben noch Flächen frei für weitere Einrichtungen, wie z.B. Kinderbetreuung, Informationsstelle und Stadtteiltreffpunkt.

Im I. und II. OG sind je 5 Wohnungen für betreutes Wohnen geplant. Das gesamte Gebäude wird barrierefrei nach DIN 18025 Teil 2 konzipiert. Es wird angestrebt, sechs Wohnungen im Haus Schwüblingser Weg 2 ebenfalls durch den neuen Aufzug barrierefrei zu erreichen.

Der Neubau wird nach den neuesten Erkenntnissen in Bezug auf die Energieeffizienz geplant, ggf. sogar als Passivhaus. Architektonisch soll das Gebäude die besondere Situation an der Ecke Peiner Weg / Schwüblingser Weg zeitgemäß würdigen.

In der näheren Umgebung liegen über 160 Wohnungen der Ostland. Die Bewohnerstruktur in diesem Quartier um den Peiner Weg 21 herum ist altersmäßig gemischt, sodass gleichzeitig ein Bindeglied zwischen den Generationen geschaffen wird.

Das Konzept der Ostland sieht ein Leistungsangebot vor, das Menschen dauerhaft und selbstbestimmt in ihrer eigenen Wohnung entsprechend ihrer Vorstellungen und Möglichkeiten leben lässt, auch wenn die Mobilität nachlässt. In Verbindung mit Kooperationspartnern wird eine maximale Versorgungssicherheit im Wohnquartier hergestellt.

 

 

 

 

 

Vorhaben der Südheide eG:

 Variante 1

 

Standort des Vorhabens der Südheide ist der Bereich Niedersachsenring / Depenauer Weg / Im Kreitwinkel. Für diesen gesamten Bereich wurden von der Südheide zunächst einige grundsätzliche Entwurfsvarianten ausgearbeitet. Alle drei Varianten stellen einen möglichen baulichen Endzustand dar, d.h. die Realisierung ist über einen längeren Zeitraum hinweg geplant. Nachfolgend wird beispielhaft eine mögliche Entwicklungsvariante näher erläutert.

Kernstück der Konzeption in nebenstehender Variante 1 ist die Errichtung eines neuen drei- bzw. viergeschossigen Baukörpers als Verbindung zwischen zwei bestehenden Gebäudezeilen; dieser Baukörper wird zusätzlich über einen flachen Verbindungsbau an die Straße Im Kreitwinkel angebunden.

Im Erdgeschoss dieser Gebäude sind Einrichtungen für die Tagespflege und – ebenso wie in den darüber liegenden Geschossen – betreute Wohnungen vorgesehen. Dabei werden unterschiedliche Wohnformen und Wohnungsgrößen angeboten.

Die angrenzenden Bestandsgebäude können nach und nach in das Gesamtkonzept mit einbezogen werden. In der näheren Umgebung liegen 219 Wohnungen der Südheide.

Ein Betreuungskonzepts bzw. eine pflegerische Konzeption befindet sich seitens der Südheide derzeit noch in Ausarbeitung, so dass derzeit noch keine definitive Aussage über den Einsatz des „Bielefelder Modells“ bzw. „Burgdorfer Modells“ (s.u.) in dieser Wohnanlage getroffen werden kann.

isometrische Darstellung der Variante 1

 

Variante 2

 

Hintergrund: Grundzüge eines „Burgdorfer Modells“:

In der Sitzung des Sozialausschusses am 05.06.2008 wurden mögliche Grundzüge eines auf Burgdorfer Verhältnisse zugeschnittenen Quartiersmodells („Burgdorfer Modell“) angesprochen, welches auf ein selbstbestimmtes Leben im Alter in bestehenden Wohnquartieren mit gemischter Altersstruktur setzt.

Altenpflege als gesellschaftliche Aufgabe

In der Vergangenheit wurde die Betreuung und Pflege älterer Menschen im Rahmen der traditionellen Großfamilie geleistet. Heutzutage verliert die klassische Großfamilie allerdings mehr und mehr an Bedeutung, weil die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen erhebliche berufliche Mobilität und Flexibilität erfordern. In der Folge wohnen Eltern und Kinder nicht selten 200 km und mehr voneinander entfernt. Eine häusliche Pflege durch die Kinder ist in diesen Fällen vollkommen unmöglich. Weiterhin gibt es eine wachsende Zahl kinderloser Seniorenhaushalte.

Zudem steigt die durchschnittliche Lebenserwartung in der Bundesrepublik von Jahr zu Jahr. Mit der steigenden Lebenserwartung steigt für den Einzelnen auch das Risiko, im Alter für einen längeren Zeitraum von der Betreuung und Pflege anderer abhängig zu sein. Um dieses Risiko hinsichtlich der finanziellen Folgen abzumildern, wurde vor einigen Jahren die Pflegeversicherung eingeführt.

Allerdings stehen die Pflegekassen unter einem großen Kostendruck, der in der nächsten Jahren noch erheblich steigen wird und möglicherweise auch zu empfindlichen Einschnitten bei den Leistungen führen kann. Um dieses Risiko zu minimieren, ist es sinnvoll, auch im Bereich der Pflege nach neuen zukunftsweisenden Wohn- und Betreuungsmodellen zu suchen, welche die gleiche Qualität der Pflege zu verringerten Kosten und gleichzeitig ein selbstbestimmtes Leben im Alter sicherstellen.

 

„Bielefelder Modell“

 

Derzeit "experimentieren" unterschiedliche Akteure mit verschiedenen Wohn- und ambulanten Betreuungsmodellen:

Die Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft BGW ermöglicht durch Einführung des sog. "Bielefelder Modells" den in ihren Wohnanlagen lebenden Senioren ein Leben mit Versorgungssicherheit ohne Betreuungspauschale: Durch partnerschaftliche Zusammenarbeit mit einem Pflegedienst und bei Erreichen eines gewissen Wohnanteils von Menschen mit Pflegestufe 3 kann den übrigen Bewohnern der Wohnanlage eine 24-h-Notbereitschaft ohne zusätzliche Kosten durch die in die Wohnanlage integrierte Pflegestation garantiert werden.

Das Johanneswerk gGmbH arbeitet zurzeit an einem

 

modifiziertem "Bielefelder Modell", das zwischen absoluter (permanente Präsenz) und relativer Versorgungssicherheit (gelegentliche Notfälle) unterscheidet; es deckt einen Aktionsradius von 750 Metern rund um die integrierte Pflegestation ab und versorgt somit ganze Stadtquartiere. Hierdurch wird eine stationäre Qualität in der ambulanten Pflege erreicht. Dieses System soll das bestehende stationäre System (Pflegeheim, Betreutes Wohnen) nicht ersetzen, sondern um eine ambulante Variante ergänzen.

„Burgdorfer Modell“: keine demografische Segregation

Um auf die spezifischen Besonderheiten und Möglichkeiten im Stadtgebiet Burgdorfs besser eingehen zu können, wird derzeit in Zusammenarbeit mit in Burgdorf vertretenen Wohnungsgesellschaften ein aus dem „Bielefelder Modell“ abgeleitetes „Burgdorfer Modell“ entwickelt.

Dieses Wohn- und Betreuungsmodell bezieht in besonderer Weise den insbesondere in Burgdorfs Südstadt vorzufindenden Bestand an verdichtetem, aber dennoch qualitätsvollem Geschosswohnungsbau der 60er und 70er Jahre in das Gesamtkonzept ein, indem die Pflegestation in den vorhandenen Wohnungsbestand integriert werden soll und auf diese Weise das gesamte bestehende Quartier und seine Bewohner hiervon profitieren können. Je nach Ausformung des Pflegemodells im Detail wird es auf diese Weise möglich sein, im Falle einer Pflegebedürftigkeit im angestammten Quartier bzw. sogar in der angestammten Wohnung zu bleiben.

Besonders zu beachten ist hierbei, dass – in Entsprechung des Baualters der Gebäude – ein überdurchschnittlicher Anteil der Bewohner das Rentenalter bereits erreicht hat, so dass das neue Angebot auf eine entsprechende Nachfrage stoßen wird. Gleichzeitig wohnen aber auch junge Familien mit Kindern etc. im Quartier, so dass – im Gegensatz zu anderen Wohnmodellen wie dem klassischen Seniorenheim, aber auch herkömmlichen Anlagen des betreuten Wohnens – keine demografische Segregation erfolgt. Vielmehr ergeben sich durch das fortwährende Miteinander von Jung und Alt zahlreiche Gelegenheiten für auf Gegenseitigkeit beruhende informelle Dienstleistungen, die bei funktionierender Nachbarschaft die Funktion der klassischen Großfamilie in eingeschränkter Weise modern interpretieren. Denn der vielbeschäftigte Single oder ein allein erziehendes Elternteil benötigt ebenso Unterstützung wie der pflegebedürftige Rentner.

Langfristiges Ziel des „Burgdorfer Modells“ ist die Herstellung zumindest einer relativen Versorgungssicherheit in allen verdichteten Siedlungsbereichen der Kernstadt Burgdorfs.

Hierfür sollen nach und nach an sechs oder sieben ausgesuchten Standorten dem Burgdorfer Modell entsprechende Infrastrukturen (integrierte Pflegestationen im Quartier) entwickelt werden.

 

Mögliche Einzugsbereiche der integrierten Pflegestationen

Das Konzept befindet sich derzeit noch in der Entwicklung; eine Garantie dafür, dass insbesondere die beiden vorgestellten Projekte nach dem „Bielefelder“ bzw. „Burgdorfer Modell“ betrieben werden, gibt es nicht. Beide Projekte bieten aber das Potential hierzu.