Betreff
Finanzierung von straßenbaulichen Maßnahmen
Bezugsvorlage: A 2018 0654, Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung, Antrag der FDP
Vorlage
M 2018 0501/2
Aktenzeichen
60.042
Art
M i t t e i l u n g
Referenzvorlage

Nachfolgende Mitteilung gebe ich Ihnen zur Kenntnis.

In der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Liegenschaften und Verkehr sowie des Ausschusses für Haushalt, Finanzen und Verwaltungsangelegenheiten am 15.01.2019 wurden von Herrn Rechtsanwalt Dr. J. Christian von Waldthausen die Möglichkeiten der Finanzierung von straßenbaulichen Maßnahmen ausführlich dargestellt.

 

Von der FDP-Fraktion wurde bemängelt, dass ein neutraler Fachanwalt für den Vortrag eingeladen wurde. Aus ihrer Sicht hätte ein Bürgermeister eingeladen werden sollen, der die Straßenausbaubeiträge erfolgreich abgeschafft hätte. In der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Liegenschaften und Verkehr am 28.03.2019 wurde der Wunsch geäußert, den Bürgermeister der Stadt Springe, Herrn Springfeld, einzuladen. In Springe hat der Rat entschieden, die einmaligen Straßenausbaubeiträge abzuschaffen und dafür wiederkehrende Beiträge einzuführen. Herr Springfeld kann daher lediglich über seine Erfahrungen hinsichtlich der wiederkehrenden Beiträge referieren. Bisher wurden in der Region Hannover von der Stadt Laatzen und der Gemeinde Wennigsen Beschlüsse zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge gefasst (näheres unter Punkt I.). Es wird um einen Hinweis gebeten, ob der Vortrag eines Bürgermeisters noch immer gewünscht wird und bei welcher Kommune angefragt werden soll.

 

Derzeit laufen in vielen Kommunen Überlegungen zur weiteren Finanzierung der straßenbaulichen Maßnahmen. Jedes System, ob eine Finanzierung über einmalige oder wiederkehrende Beiträge oder eine Finanzierung über Grundsteuern, birgt Risiken und Ungerechtigkeiten. Was für die eine Gemeinde eine gute Lösung sein kann, muss für die Nachbargemeinde nicht die richtige Wahl sein. Zur weiteren Diskussion möchte ich daher noch einige Anmerkungen über die derzeitigen Entwicklungen im Bereich der Straßenausbaubeiträge abgeben.

 

I. Aktuelles aus der Region Hannover

 

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung hat im Dezember eine Umfrage bei den regionsangehörigen Kommunen durchgeführt. Den Artikel füge ich als Anlage 1 bei.

 

Mittlerweile wurden in der Stadt Laatzen sowie der Gemeinde Wennigsen Beschlüsse über die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzungen gefasst.

 

Die Kommunalaufsicht der Region Hannover hat den Ratsbeschluss der Stadt Laatzen für rechtswidrig erklärt. Die Stadt Laatzen befindet sich seit längerer Zeit unter dem Rettungsschirm des Landes und erhält Bedarfszuweisungen. Der Satz für die Grundsteuer B liegt derzeit bei 600 v. H. (Stadt Hannover: 600 v. H.). Ohne Gegenfinanzierung ist die Aufhebung der Straßenausbaubeitragsatzung nicht umzusetzen. Mittlerweile haben sich in Laatzen Bürgerinnen und Bürger zu Wort gemeldet, die in den vergangenen Jahren zu Straßenausbaubeiträgen herangezogen wurden und nunmehr eine doppelte Belastung durch eine höhere Grundsteuer befürchten.

 

Die Gemeinde Wennigsen hat mit der Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung eine Erhöhung der Grundsteuer B um zunächst 60 v. H. (auf nunmehr 560 v. H.) beschlossen. Die Gemeinde Wennigsen hat in den vergangenen 10 Jahren nur sehr wenige Straßen ausgebaut und kaum Beiträge erhoben. In den nächsten Jahren stehen größere Straßenausbaumaßnahmen an. Eine Erhöhung um mindestens weitere 40 v. H. wird daher prognostiziert.

 

Bei der Stadt Springe sowie der Stadt Burgwedel werden derzeit Satzungen über die Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen erarbeitet bzw. die erforderlichen Vorarbeiten hinsichtlich der Bildung der Abrechnungsgebiete sowie die Beurteilung der jeweiligen Grundstücke durchgeführt. Derzeit ist beim OVG Lüneburg ein Normenkontrollverfahren zur Überprüfung der Satzung der Stadt Springe anhängig.

 

In der Stadt Pattensen wird aktuell über die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge beraten. Eine Gegenfinanzierung ist bisher nicht vorgesehen, da die Grundsteuer B bereits im Vorjahr um 70 v. H. auf nunmehr 500 v. H. erhöht wurde. Die Kommunalaufsicht hat nach Bekanntwerden des politischen Antrages darauf hingewiesen, dass in diesem Falle keine Genehmigung des Haushaltes in Aussicht gestellt werden kann.

 

II. Aktuelles aus den Bundesländern

 

In Bayern wurden die Straßenausbaubeiträge im vergangenen Jahr abgeschafft. Weitere Länder (z. B. Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) werden folgen.

 

Nach dem Konnexititätsprinzip lässt sich der Grundsatz herleiten, dass die Länder den Gemeinden einen angemessenen Ausgleich schaffen müssen, für den Fall, dass eine Änderung der landesrechtlichen Bestimmungen zu einer wesentlichen Belastung der Kommunen führt. Das Land Bayern stellt seinen Kommunen daher zunächst einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 100 Mio. Euro (ab 2020: 150 Mio. Euro/Jahr) zur Verfügung. Experten gehen davon aus, dass für den Substanzerhalt der (innerörtlichen) Gemeindestraßen ein jährlicher Erneuerungsbedarf von 1 Mrd. Euro besteht. Bei einem durchschnittlichen Eigentümeranteil von 50 % ist somit ein jährlicher Beitragsausfall in Höhe von 500 Mio. Euro anzunehmen.

 

Das Land Niedersachsen hat sich dahingehend geäußert, dass (zumindest in dieser Wahlperiode) mit keiner Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zu rechnen ist, da derzeit keine Mittel für den finanziellen Ausgleich vorhanden sind. Fraglich ist, ob bei einem Abschwächen der Konjunktur künftig Ausgleichsmittel bereitgestellt werden können. Geplant ist jedoch eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes mit dem Ziel, dass künftig eine längerfristige Ratenzahlung (ca. 20 Jahre) mit geringerer Zinslast (bisher 0,5 % pro Monat lt. Abgabenordnung) eingeführt wird. Zu Ihrer Information füge ich ein Schreiben des Nieders. Städtetages vom 21.11.2018 zum Thema „Fortentwicklung der Straßenausbaubeiträge“ bei (Anlage 2). Der Städtetag empfiehlt, derzeit keine Beschlüsse in den kommunalen Gremien zu fassen und die bevorstehenden Gesetzesänderungen zur Änderung des NKAG sowie zur Reform der Grundsteuer abzuwarten.

 

III. Situation in Burgdorf

 

In der Kernstadt wurden seit den 1980-er Jahren eine Vielzahl von Straßen ausgebaut und Straßenausbaubeiträge erhoben. Die bereits erneuerten Straßen sind in dem als Anlage 3 beigefügten Plan farblich markiert. Dabei wurden (aufgerundet) ca. 10 km des Kanalnetzes erneuert. Das Kanalnetz der Kernstadt verfügt insgesamt über eine Gesamtlänge von rd. 117 km.

 

Viele Straßen sind zu den Zeiten des ersten Baubooms in den 1950-er bis 1970-er Jahren entstanden (s. Anlage 4: erstmaliger Ausbau 1950-er Jahre – Mitte der 1970-er Jahre (rot), erstmaliger Ausbau Mitte der 1970-er – Ende der 1980-er Jahre (gelb). Die Straßen in den rot markierten Bereichen sind mittlerweile 50 bis 70 Jahre alt.

 

Bei schadhaften Straßen kann eine Deckensanierung einen Vollausbau um einige Jahre herausschieben (auch mit dem Risiko, dass ein späterer Ausbau voraussichtlich nicht unerheblich höhere Kosten wegen Kostensteigerungen durch Inflation verursacht). Wenn bei einem schadhaften Kanal eine Kontamination des Grundwassers durch Schmutzwasser möglich ist, ist eine kurzfristige bzw. umgehende Erneuerung des Kanals, und damit häufig einhergehend die Erneuerung der Straße, unumgänglich.

 

Die Leitlinien zur Durchführung dynamischer Kostenvergleichsrechnungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser gehen von einer durchschnittlichen Lebensdauer der Kanäle von 50 – 80 Jahren aus.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass in wenigen Jahren eine Vielzahl von Straßenausbaumaßnahmen aufgrund schadhafter Kanäle durchgeführt werden muss.

 

Im Laufe dieses Jahres wird noch eine Kamerabefahrung in der Südstadt durchgeführt. Wenn die Ergebnisse ausgewertet sind, wird voraussichtlich eine Ergänzung der Prioritätenliste erforderlich werden.

 

In den Ortsteilen sind die meisten Kanäle in den 1970-er Jahren verlegt worden. Die Straßen stellen sich unterschiedlich dar. Die Durchgangsstraßen sind in der Regel klassifizierte Straßen. Hier stehen lediglich die Gehwege und die Beleuchtung in der Straßenbaulast der Stadt. Entsprechend werden die Anlieger nur für diese Teileinrichtungen zu Beiträgen herangezogen. Die Straßen befinden sich in unterschiedlichem Zustand.

 

In Schillerslage wurden zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Rahmen eines Dorferneuerungsprogramms die meisten Straßen erneuert und die Grundstückseigentümer zu Beiträgen herangezogen. Die Straßen sind in einem guten bis sehr guten Zustand.

 

Am Dorfe (1)

(Beispiel: Schillerslage, Am Dorfe)

 

In Ehlershausen wurden die meisten Straßen als „bessere Wirtschaftswege“ hergestellt. In den meisten Straßen sind keine geregelte Oberflächenentwässerung und keine Gehwege vorhanden. Hier ist im Falle eines Straßenausbaus zu prüfen, ob die Straßen bereits endgültig hergestellt wurden oder ob ggf. Beiträge nach dem Baugesetzbuch (zumindest für Teileinrichtungen) erhoben werden müssen.

 

Reiherstieg (1)

(Beispiel: Ehlershausen, Reiherstieg)

 

IV. Gewinner und Verlierer bei einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge

 

Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge kann nur zu einem bestimmten Stichtag erfolgen. Jeder Stichtag löst Ungerechtigkeiten aus, da damit zwei Gruppen gebildet werden. Die eine Gruppe hat für ihren Straßenausbau Beiträge gezahlt, die andere Gruppe wird von der Belastung befreit. Es kann bezweifelt werden, ob die Beitragspflichtigen, die bereits ihren Beitrag bezahlt haben oder bis zu diesem Stichtag noch zu Beiträgen herangezogen werden, Verständnis für diese Regelung haben.

 

Eine Voraussetzung für die Abschaffung der Beiträge ist eine Gegenfinanzierung (z. B. durch eine erhebliche Erhöhung der Grundsteuern). Einhergehend mit der Erhöhung der Grundsteuern wächst die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich des Ausbaus „ihrer“ Straße.

 

Mit einer möglichen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und einer gleichzeitigen Erhöhung der Grundsteuer entsteht weiterhin eine erhebliche Mehrbelastung der Eigentümer von selbstbewohntem Wohnraum sowie der Mieter.

 

Erheblich entlastet werden Immobiliengesellschaften, da diese keine Rücklagen mehr für Straßenausbaubeiträge bilden müssen und die Grundsteuer durch ihre Mieter über die Nebenkosten finanzieren lassen. Bundesweit wird damit gerechnet, dass Immobiliengesellschaften (z. B. Vonovia, Gagfah usw.) jährlich dreistellige Millionenbeträge bei einer kompletten Abschaffung der Straßenausbaubeiträge einsparen können. Dies vor dem Hintergrund, dass in der Miete bereits ein Anteil für die dauerhafte Erschließung enthalten ist und dieser Anteil auch bei einer Abschaffung der Beiträge voraussichtlich nicht zu einer Reduzierung der Miete führen würde. Mieter werden somit doppelt belastet (einmal über den dauerhaften Erschließungskostenanteil in der Miete und einmal über die erhöhte Grundsteuer).

 

Weitere Gewinner wären die Eigentümer grundsteuerbefreiter Grundstücke (Grundstücke der Gebietskörperschaften wie Region Hannover, Land Niedersachsen, Kirchengrundstücke aber auch die städtischen Grundstücke). Der Anteil an Straßenausbaubeiträgen, der auf diese Grundstückseigentümer fallen würde, müsste ebenfalls auf die Grundsteuer umgelegt werden und wird dann lediglich von den Eigentümern selbstbewohnten Wohneigentums und den Mietern getragen.

 

V. Fazit

 

In den nächsten 10-30 Jahren wird ein Großteil der städtischen Straßen zu erneuern sein. Der erforderliche Finanzbedarf wird den derzeitigen Aufwand für den Straßenausbau um ein Vielfaches übersteigen. Die gemeindlichen Probleme hinsichtlich der finanziellen Deckung werden somit steigen. Bei einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und einer Gegenfinanzierung über eine Erhöhung der Grundsteuer werden die Grundstückseigentümer unzufriedener über den Zustand „ihrer“ Straße, wenn diese noch nicht erneuert wurde.

 

Es wird daher eine „intelligente Lösung“ benötigt. Eine für die Grundstückseigentümer entlastende Wirkung könnte beispielsweise dadurch erreicht werden, dass Fördermittel für den kommunalen Straßenbau in Zukunft nicht mehr auf den Gemeindeanteil angerechnet werden, sondern auf die Gesamtkosten einer beitragsfähigen Maßnahme. Des Weiteren könnten zur Entlastung der Grundeigentümer mit der geplanten Änderung des Nieders. Kommunalabgabengesetzes großzügigere Stundungsregelungen mit langfristigen Ratenzahlungen über 20 Jahre ermöglicht werden.

 

Anlage 1: Bericht HAZ

Anlage 2: Schreiben des Nieders. Städtetages

Anlage 3: bereits erneuerte Straßen

Anlage 4: Entwicklung Baugebiete

(Baxmann)