Betreff
Energielieferung für die Straßenbeleuchtungsanlagen - Ausschreibungsverfahren
Vorlage
2011 0075
Aktenzeichen
861-05-4/Pi
Art
Beschlussvorlage

Finanz. Auswirkungen in Euro

Produktkonto

ErgHH

FinHH

Einmalige Kosten:

 

Laufende Kosten:

 

Haushaltsmittel stehen zur Verfügung:

 ja

 nein

 

Beschlussvorschläge:

 

1.   Der Ausschuss für Wirtschaft und Finanzen nimmt von der Vorlage Kenntnis und empfiehlt dem Verwaltungsausschuss für die Belieferung der Straßenbeleuchtungsanlagen mit Energie für die Jahre 2013/2014 (optional 2013 bis 2015) folgenden Strommix auszuschreiben:

      a) Konventioneller Strom                   oder

      b) Ökostrom ohne Neuanlagenquote     oder

      c) Ökostrom mit Neuanlagenquote

         (mindestens 33 % des Stroms aus Anlagen, die nicht älter als 6 Jahre sind)

 

 

2.   Der Verwaltungsausschuss beschließt für die Belieferung der Straßenbeleuchtungsanlagen mit Energie für die Jahre 2013/2014 (optional 2013 bis 2015) folgenden Strommix auszuschreiben:

      a) Konventioneller Strom                   oder

      b) Ökostrom ohne Neuanlagenquote     oder

      c) Ökostrom mit Neuanlagenquote

         (mindestens 33 % des Stroms aus Anlagen, die nicht älter als 6 Jahre sind)

 

Sachverhalt und Begründung:

 

I. Allgemeines:

 

Das Bundeskabinett hat am 06.06.2011 den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie bis spätestens Ende 2022 beschlossen. Diesem Beschluss ist der Bundesrat am 08.07.2011 gefolgt. Mit diesen Beschlüssen hat Deutschland den Einstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien geschaffen.

 

Ein Schlüssel für den Erfolg eines nachhaltigen Energiekonzeptes ist der schonende Umgang mit den vorhandenen Ressourcen durch die Steigerung der Energieeffizienz, etwa durch die Senkung des Stromverbrauchs mittels moderner Technologien und insbesondere die energetische Sanierung von Gebäuden, die zugleich mit einer Wertsteigerung verbunden ist.

 

 

II. Energiewende in Burgdorf

 

Die SPD-Ratsfraktion stellte am 06.04.2011 den Antrag, zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Energieversorgung der stadteigenen Gebäude sowie der Straßenbeleuchtung auf die vollständige Belieferung mit Strom, der nicht aus Atomkraftwerken stammt, umzustellen. Weiterhin wurde beantragt, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den Stromverbrauch durch Effizienzsteigerung, Einsparung und energetische Sanierungen so weit wie möglich zu verringern.

 

Die Stromversorgung der städtischen Gebäude und der Straßenbeleuchtungsanlagen wurde in den vergangenen Jahren aus unterschiedlichen Gründen getrennt ausgeschrieben. Es gibt daher drei verschiedene „Vertragsmodelle“. Bei den städtischen Gebäuden gibt es ‚Kleinverbrauchsstellen‘ (52 Objekte zum Teil mit mehreren Abnahmestellen, z. B. Kindergärten, Verwaltungsgebäude, Feuerwehrhäuser in den Ortsteilen, Friedhofskapellen usw.; Jahresverbrauch: ca. 340.000 kWh), ‚Sondervertragsstellen‘ (16 Objekte, z. B. Kläranlage, Schulen, Feuerwehrhaus Burgdorf usw.; Jahresverbrauch: ca. 2.200.000 kWh) und die ‚Straßenbeleuchtungsanlagen‘. Die Kleinverbrauchsstellen werden von den Stadtwerken Burgdorf beliefert. Die Sondervertragsstellen beziehen den Strom aus einer Ausschreibung durch die KWL (Kommunale Wirtschafts- und Leistungsgesellschaft). Die Stromversorgung der Straßenbeleuchtungsanlagen (Jahresverbrauch: ca. 1.180.000 kWh) konnte bislang durch eine freihändige Vergabe vergeben werden.

 

Vorbereitet über die Vorlagen 2011 0915, 2011 0915/1 und 2011 0915/2 wurden am 23.08.2011 folgende Beschlüsse gefasst:

 

Die Versorgung der Kleinverbrauchsstellen wurde zum 01.10.2011 auf den Tarif „NaturWatt-Strom“ bei den Stadtwerken umgestellt.

 

Die Sondervertragsstellen werden ab 01.01.2012 mit Strom aus Wasserkraftanlagen versorgt.

 

Für die Versorgung der Straßenbeleuchtungsanlagen soll über eine Umstellung zur nächsten Ausschreibung (Vertragsbeginn: 01.01.2013) beraten werden.

 

Das Ausschreibungsverfahren für die Stromlieferung der Straßenbeleuchtungsanlagen ab 01.01.2013 soll im Frühjahr 2012 durchgeführt werden.

 

 

 

III. Definition von Ökostrom

 

Als Ökostrom bezeichnet man Strom aus erneuerbaren Energiequellen (Wasserkraft, Windenergie, solare Strahlungsenergie, Geothermie, Energie aus Biomasse einschließlich Biogas, Deponiegas und Klärgas sowie aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Haushalten und Industrie). Es gibt keine physikalische Lieferung von Ökostrom, da keine getrennten Netze für Ökostrom und Normalstrom vorhanden sind. Es erfolgt lediglich eine zeitgleiche bzw. zeitlich bilanzierte Lieferung von Ökostrom seitens des Stromanbieters in das gemeinsame Netz.

 

Aus Umweltsicht ist die Art der Stromerzeugung hinsichtlich der genutzten Technologien und Brennstoffe entscheidend (erneuerbare Energien, Kraft-Wärme-Kopplung mit hoher Effizienz). Aus Sicht der Verbraucher ist entscheidend, ob sich durch die Wahl eines bestimmten Ökostromproduktes der Anteil der o.g. Energieerzeugung insgesamt erhöht und dadurch die Stromerzeugung aus konventioneller Energie überflüssig wird.

 

 

IV. Ausschreibungsverfahren

 

Mittlerweile unterliegt auch die Stromlieferung für die Straßenbeleuchtungsanlagen dem Vergaberecht. Aus diesem Grund soll in 2012 erstmalig ein Ausschreibungsverfahren gemeinsam mit den Städten Wunstorf und Lehrte durchgeführt werden. Begleitet wird die Ausschreibung vom Ingenieurbüro für Energiewirtschaft Switch.on. Mit dieser Vorlage soll nunmehr ein Beschluss darüber herbeigeführt werden, welcher Strommix für die Straßenbeleuchtungsanlagen im Ausschreibungsverfahren gefordert werden soll.

 

Bei einer Angebotsbewertung für die Stromlieferung ist die Berücksichtigung von Umweltschutzkriterien nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Folgende Voraussetzungen sind jedoch zu beachten:

 

1.   Das Kriterium muss mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen.

2.   Das Kriterium darf dem Auftraggeber keine unbeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen.

3.   Das Kriterium muss ausdrücklich im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung genannt werden.

4.   Alle wesentlichen Grundsätze des Europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere das Diskriminierungsverbot, müssen beachtet werden.

 

Für die Ausschreibung ist der Liefergegenstand daher konkret zu definieren. Weiterhin sind eindeutige und transparente Wertungskriterien (mathematisch nachvollziehbar) festzulegen. Eine alternative Ausschreibung Normalstrom/Ökostrom ist vergaberechtlich sehr problematisch. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass lediglich Lieferungen nach dem „Händlermodell“ ausgeschrieben werden dürfen. Bei einer Ausschreibung nach dem „Fördermodell“ würden einige Anbieter von der Ausschreibung ausgeschlossen. Dies stellt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar. (Erläuterungen siehe Anlage 1).

 

Eine Festlegung auf bestimmte Zertifikate (z. B. nur „o.k. power“, „NaturstromGold“ oder „TÜV Nord“) ist nicht zulässig. Es darf lediglich eine neutrale Definition des Liefergegenstandes erfolgen. Alle Wertungskriterien, nach denen Ökostromangebote den Zuschlag erhalten, müssen vorgegeben werden. Bei der Wertung besteht kein Ermessensspielraum.

 

Aus den Vergabeunterlagen müssen sich die Anforderungen an den zu beziehenden Ökostrom ergeben, z. B.:

 

-         Ökostrom gemäß Vorgaben des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG)

-         Keine Doppelvermarktung möglich

-         Keine Aufwertung von „Graustrom“ durch Zukauf des reinen Umweltnutzens („RECS“-Zertifikate)

-         Individuelle Zertifizierung für öffentlichen Auftraggeber (festgelegte Kriterien) durch anerkannte Zertifizierungsstelle

-         Evtl. Vorgaben zur Neuanlagenquote

 

Unzulässig ist die Festlegung, nur Anbieter zu berücksichtigen, die ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien anbieten (Diskriminierungsverbot).

 

Zusammenfassend ist somit festzustellen:

 

1.       Die Ausschreibung von Ökostrom ist vergaberechtlich grundsätzlich möglich, sofern bestimmte Grundsätze beachtet werden.

 

2.       Die Ausschreibung der Ökostromlieferung führt in der Regel zu höheren Kosten. Die Mehrkosten hängen maßgeblich von den Anforderungen an die Ökostromlieferung ab (z.B. Neuanlagenquote).

 

3.       Unmittelbare Umwelteffekte (CO2-Minderung durch Veränderung des Strommixes) können aufgrund vergaberechtlicher Grenzen nicht gesichert erzielt werden, so dass Ökostrombeschaffung primär ein politisches Signal darstellt bzw. eine Vorbildfunktion hat.

 

Für das Ausschreibungsverfahren bieten sich nunmehr folgende Alternativen an:

1.         Bezug von konventionellem Strom (herkömmlicher Strommix)

2.         Bezug von Ökostrom ohne Neuanlagenquote (z. B. Wasserkraft)

3.         Bezug von Ökostrom mit Neuanlagenquote (mindestens 33 % des Stroms aus Anlagen, die nicht älter als 6 Jahre sind)

 

 

V. Kosten

 

In der nachfolgenden Aufstellung sind die zurzeit zu erwartenden jährlichen Energiekosten (inkl. 19 % MwSt.) für die genannten Alternativen aufgeschlüsselt:

 

Bezeichnung

Verbrauch in kWh

ca.

Stromkosten herkömmlicher Strom

ca.

Stromkosten Wasserkraft z.B. RECS

ca.

 

(Mehrkosten je kWh: 0,0 - 0,5 ct)

Stromkosten Ökostrom mit Neuanlagenquote

ca.

(Mehrkosten je

KWh: 1,5 – 2,5 ct)

Sondervertragsabnahmestellen

2.200.000

351.000,00 €

357.500,00 € (lt. Ausschreibung für 2012/13)

400.000,00 €

Straßenbeleuch-tungsanlagen

1.180.000

215.000,00 €

220.900,00 €

245.000,00 €

Gesamt

3.380.000

566.000,00 €

578.400,00 €

645.000,00 €

Jährliche

Mehrkosten ca.

 

 

12.400,00 €

79.000,00 €

 

Bei der Gegenüberstellung wurden die Kleinverbrauchsstellen nicht berücksichtigt, da diese bereits für die Stadt kostenneutral auf den Tarif „NaturWattStrom“ bei den Stadtwerken umgestellt wurden. Weiterhin wurden auch die regulären Strompreissteigerungen nicht einkalkuliert.

 

Des Weiteren wurden die Erfahrungen/Entscheidungen anderer Kommunen in der Region betrachtet und in die Überlegungen einbezogen. Die Gemeinde Wennigsen hat im August 2011 den Beschluss gefasst, zukünftig nur noch Stromanbieter zu berücksichtigen, die ausschließlich Strom aus regenerativen Energien anbieten. Der Bürgermeister der Gemeinde hat diesen Beschluss für rechtswidrig gehalten und die Kommunalaufsicht der Region Hannover eingeschaltet. Die Kommunalaufsicht hat diese Auffassung bestätigt und den Beschluss als rechtswidrig beurteilt, da er wettbewerbswidrig sei. Ferner werde mit dem Wennigser Ratsbeschluss gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. In der Stellungnahme verweist die Kommunalaufsicht außerdem darauf, dass die Gemeinde bereits seit einigen Jahren keinen ausgeglichenen Haushalt mehr beschließen konnte und das aktuelle Haushaltsjahr sowie die drei folgenden Finanzplanungsjahre ein Defizit von durchschnittlich 4,6 Mio. € aufweisen. Aus diesem Grund habe die Gemeinde ein Haushaltssicherungskonzept zu beschließen. Daraus ergebe sich, dass der Rat Beschlüsse vermeiden soll, durch die zusätzliche Kosten für die Gemeinde entstehen können. Abschließend kommt die Kommunalaufsicht zur dem Ergebnis, dass eine erneute Beschlussfassung für erforderlich gehalten wird, in der zumindest die Aussage, dass nur Anbieter berücksichtigt werden, die Strom ausschließlich aus regenerativen Energien anbieten, revidiert wird.

 

 

VI. Sonstiges

 

Aufgrund der sehr eingeschränkten Möglichkeiten im Ausschreibungsverfahren sowie der Ausführungen der Kommunalaufsicht wurde nach Alternativen zur Ausschreibung von „reinem Ökostrom“ gesucht.

 

Dabei stellt sich vorab die grundsätzliche Frage, ob der Betrag der Mehrkosten für „reinen Ökostrom“ in Höhe von ca. 79.000,00 €, nicht vorrangig zur Senkung der laufenden Stromkosten durch energetische Sanierungen (z.B. Wärmedämmungen, moderne Heizungstechnik) bzw. zur Stromerzeugung (z.B. durch Photovoltaikanlagen) auf städtischen Gebäuden verwendet werden sollte. Diese Maßnahmen sind nachhaltig, da langfristig der Stromverbrauch verringert und somit eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes erreicht wird. Mit den so eingesparten Stromkosten können in den folgenden Jahren weitere energetische Sanierungsmaßnahmen finanziert werden. Außerdem handelt es sich hier teilweise um investive Maßnahmen (z.B. Photovoltaikanlagen), die zu einer Wertsteigerung der städtischen Liegenschaften beitragen.

 

Von der Abteilung Gebäudewirtschaft wurde im Rahmen des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung ein Antrag auf Erstellung eines Klimaschutz-Teilkonzepts eingereicht. Ziel dieses Teilkonzeptes „Klimaschutz in eigenen Liegenschaften“ ist, eine Entscheidungsgrundlage und ein Steuerungsinstrument (Klimaschutz-Management) zu entwickeln, mit denen die Treibhausgasemissionen und Energiekosten der Liegenschaften dauerhaft gesenkt werden können.

 

Das Klimaschutz-Teilkonzept umfasst zunächst eine Basisdatenbewertung einschließlich der Entwicklung eines Organisations- und Controllingkonzeptes für einen Großteil der städtischen Liegenschaften. Im 2. Baustein erfolgt eine Gebäudebewertung. Damit soll ein Überblick über den Zustand der Gebäude gewonnen und ermittelt werden, bei welchen Gebäuden dringender Handlungsbedarf besteht. Hierbei werden die Gebäude in ihrer Gesamtheit (Strom, Heizung, Wasser) energetisch betrachtet. Weiterhin erfolgt eine Schätzung der Investitionskosten. Daraus abgeleitet wird eine Prioritätenliste erstellt, die Aussagen darüber trifft, welche Klimaschutzmaßnahmen technisch und wirtschaftlich am effektivsten umzusetzen sind. Im 3. Baustein wird dann für eine beschränkte Anzahl von Gebäuden (maximal 10) eine detaillierte Analyse zur Festlegung konkreter Sanierungsmaßnahmen durchgeführt.

 

Die Untersuchungsergebnisse aus dem Klimaschutz-Teilkonzept liegen Mitte 2012 vor. Mit der Umsetzung des Konzeptes soll nach Erstellung einer Prioritätenliste und Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel ab 2013 begonnen werden.

 

 

 

 

 

 

Anlage 1: Erläuterungen