Beschluss: festgestellt/genehmigt/abgearbeitet

Herr Rühling stellt den Wandel der Arbeitsschwerpunkte in der Mobilen Jugendhilfe vor. In den letzten Jahren haben sich die Schwerpunkte deutlich verschoben.

 

Zunächst nahm die Arbeit an den „Informellen Treffpunkten“ den größten Raum ein. Nach dem Brand des letzten Bauwagens am Ostlandring wurde das Konzept jedoch zunächst „auf Eis gelegt“. Grund hierfür war zum einen, dass die Mobile Jugendhilfe fast ausschließlich mit der reinen Bestandserhaltung der Treffpunkte befasst war. Dauernde Anwohnerbeschwerden, Zerstörungen und Müllaufkommen reduzierten die notwendige inhaltliche Arbeit weitestgehend auf organisatorische Aspekte.

 

Dazu kam, dass die Bereitschaft der Erwachsenen wie Anwohner und Eltern, die soziale Kontrolle an den Treffpunkten zu übernehmen, völlig überschätzt wurde. Das Engagement reduzierte sich auf das Verfassen von Beschwerdebriefen oder das Beschimpfen der Jugendlichen aus sicherer Entfernung. Lediglich am Ostlandring funktionierte die soziale Kontrolle bis zum Brand des Bauwagens fast acht Jahre erfolgreich.

 

Auch die Fähigkeit und Bereitschaft der Jugendlichen, die Verantwortung für ihre Treffpunkte zu übernehmen, entsprach nur am Ostlandring den Erwartungen.

 

Die Bauwagen als Informelle Treffpunkte haben sich aufgrund ihrer Bauweise als ungeeignet für Jugendliche mit Bewegungsdrang erwiesen. Hinzu kam der Unsicherheitsfaktor der unkalkulierbaren Risiken nach den Bränden.

 

Er weist darauf hin, dass die positiven Aspekte dennoch nicht unerwähnt bleiben dürfen. Die Informellen Treffpunkte haben der Mobilen Jugendhilfe ein umfassendes Bild über die verschiedenen Gruppierungen und Probleme der Jugendlichen in einer Kleinstadt aufgezeigt. Die Akzeptanz und Nachfrage der Jugendlichen nach diesen Treffpunkten habe gezeigt, dass das Konzept grundsätzlich in die richtige Richtung gewiesen habe. Die Mobile Jugendhilfe wurde innerhalb kürzester Zeit bei dem größten Teil der Burgdorfer Jugendlichen bekannt.

 

Herr Rühling führt weiter aus, dass er feste Pavillons aus Beton, die nicht abschließbar sind, für sinnvoller erachtet. Auch Pavillons aus Holz würden zu häufig der Zerstörungswut zum Opfer fallen. Derzeitig sei außerdem zu beobachten, dass Jugendliche sich aus eigenem Antrieb und mit selbst organisierten Mitteln kleine Hütten an Bolz- oder Spielplätzen bauten. Die Mobile Jugendhilfe wird dieses Phänomen wohlwollend im Auge behalten, im Bedarfsfall konzeptionell begleiten und gegenüber der Öffentlichkeit vertreten. Ein Zuviel an öffentlicher Aufmerksamkeit habe sich jedoch in der Vergangenheit als nicht sinnvoll erachtet.

 

Es habe sich gezeigt, dass das Beratungsaufkommen in den Büroräumen der Mobilen Jugendhilfe zugenommen habe. Die Spannbreite reiche dabei von der Fahrplanauskunft über Beziehungsprobleme bis zur Obdachlosigkeit. Auffallend sei, dass sich die ursprünglich vorgesehene Altersbeschränkung von 12 – 18 Jahren mittlerweile völlig verschoben habe. Inzwischen seien auch schon neugierige 6-Jährige dort anzutreffen und auf der anderen Seite nehmen noch 25-Jährige die Hilfe in Anspruch. Es habe sich gezeigt, dass die Kontaktaufnahme gar nicht früh genug erfolgen könne und andererseits mit dem Bezug der eigenen Wohnung nicht als beendet betrachtet werden könne.

 

Herr Rühling berichtet weiter, dass sich das zunächst von gegenseitiger Skepsis geprägte Verhältnis zur GHS I in den letzten Jahren nachhaltig verbessert habe, so dass in Kürze ein gemeinsamer Kooperationsvertrag auf den Weg gebracht werden kann. Auch das Verhältnis zur Polizei, das insbesondere während der Blütezeit der Bauwagen als leicht angespannt bezeichnet werden musste, hat sich durch gemeinsame Projekte und Absprachen sehr zum Positiven entwickelt. Die Anzahl der Jugendlichen, die bei der Mobilen Jugendhilfe ihre Arbeitsstunden verrichten, sei in etwa gleich geblieben.

 

Zusammenfassend teilt Herr Rühling mit, dass die sehr öffentlichkeitswirksame, aber teils sehr schwierige Arbeit im Stadtgebiet abgenommen hat zugunsten einer weitaus weniger spektakulären, aber nachhaltigeren Ausweitung des Betreuungs- und Beratungsangebotes sowie der Vernetzung mit anderen Institutionen.

 

Frau Gersemann bedankt sich für den Vortrag.

 

Herr Morich dankt ebenfalls für den Bericht und bedauert, dass die Presse nicht anwesend ist, um diese wichtigen Informationen zu erhalten.

 

Weiter führt er an, dass die Bauwagen ein großes Risiko für die Stadt dargestellt haben. Bereits vor etwa 25 Jahren sei in einem Bauwagen jemand ums Leben gekommen.

 

Frau Meinig bedankt sich für den Vortrag und fragt nach Alternativen für den Bauwagen.

 

Herr Rühling teilt mit, dass zum einen die Zusammenarbeit mit der Berufsschule bestehe, die Holz-Pavillons gebaut hätte. Wie bereits ausgeführt, halte er es für sinnvoller, diese aus Beton zu bauen. Zum anderen behelfen sich die Jugendlichen derzeit selber, indem sie auf Bolz- oder Spielplätzen Hütten bauen würden. Man habe hier sicherlich auch Sicherheitsrisiken zu beachten, aber könne auch nicht alles ausschließen. Grundsätzlich habe diese Art der Treffpunkte ein höheres Maß an Identifikation für die Jugendlichen als Bauwagen, die man einfach nur hinstelle.

 

Frau Leykum erkundigt sich nach der personellen Ausstattung der Mobilen Jugendhilfe.

 

Herr Rühling teilt mit, dass er die Arbeit momentan allein in Vollzeit verrichte. Er werde aber demnächst wieder eine Anerkennungspraktikantin bekommen. Dies sei auch sinnvoll, da Mädchen ihre Probleme meist lieber mit einer Frau besprechen.

 

Frau Leykum fragt nach, ob die personelle Ausstattung ausreichend sei.

 

Herr Rühling berichtet, dass es derzeitig nicht ausreichend, aber machbar sei. Als die informellen Treffpunkte bei den Jugendlichen bekannt wurden und diese einen regelrechten Ansturm verzeichnen konnten, waren zwei Kräfte mehr als erforderlich.

 

Frau Gersemann erkundigt sich, ob die Nachfolge der Anerkennungspraktikantin geregelt sei.

 

Herr Rühling teilt mit, dass aufgrund der Umstellung der Diplome auf Bachelor und das Ende des Studiums im August erst danach eine Stellenbesetzung erfolgen kann.

 

Herr Strecker macht auf die Problematik aufmerksam, dass die Anerkennungspraktikanten durch den Bachelor nur noch ein halbes Jahr eingesetzt werden. Die Einarbeitung erfordere jedoch bereits ein halbes Jahr, so dass die Effizienz hier nicht gegeben sei.

 

Herr Fleischmann dankt Herrn Rühling für den Bericht und fragt nach dem Ausbildungsplatzangebot. Viele Betriebe würden sich darüber beklagen, dass sie keine Auszubildenden fänden.

 

Herr Rühling berichtet, dass der Bildungsstand einiger Schulabgänger erschreckend sei. Dies habe sich gezeigt, als sich die Mobile Jugendhilfe im Internetportal „Goolive“ angemeldet habe, um den Zugang zu den Burgdorfer Jugendlichen noch besser erreichen zu können. Die Schreibweise und Rechtschreibung vieler Jugendlicher lasse dort sehr zu wünschen übrig. Ansässige Betriebe nehmen dies oft als Kriterium für die Einstellung. Andererseits sei er der Meinung, dass jeder Betrieb den Jugendlichen erst mal persönlich kennenlernen sollte, bevor er eine Entscheidung treffe. Es sei jedoch zu erkennen, dass der Bildungsstand und die Qualifikation der Jugendlichen proportional zur eigenen Perspektivlosigkeit abnehme.

 

Herr Fleischmann erkundigt sich weiter, was mit Jugendlichen geschehe, die keinen Ausbildungsplatz haben und sozusagen in der „Warteschleife“ hängen.

 

Herr Rühling trägt vor, dass einige Jugendliche in Maßnahmen „versacken“, die oftmals nicht sinnvoll sind. In der Mobilen Jugendhilfe werden häufig junge Menschen vorstellig, die sich das Bewerbungen schreiben zeigen lassen. Wenn diese dann von der Agentur für Arbeit in die Maßnahme „Bewerbungen schreiben“ geschickt werden, sei den Jugendlichen das nicht verständlich. Die wenigsten der Jugendlichen, die von einer Maßnahme in die nächste geschickt werden, ziehen diese durch und fänden anschließend eine Perspektive.

 

Herr Fleischmann fragt nach, ob die Burgdorfer Wirtschaft ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkomme.

 

Herr Rühling gibt an, dies nicht beurteilen zu können.

 

Herr Baxmann gibt zu bedenken, dass die Jugendlichen, die Herr Rühling anführt, oftmals über einen längeren Zeitraum Beratungsbedarf haben und zudem in ihrer persönlichen Stabilität gesichert werden müssen. Dies treffe jedoch nicht auf den Großteil der heutigen Jugendlichen zu. Er warnt vor Schuldzuweisungen.

 

Frau Gersemann erkundigt sich nach der Zusammenarbeit der Mobilen Jugendhilfe mit Pro Aktiv.

 

Herr Rühling führt aus, dass die beiden Organisationen sich bereits getroffen haben, um ihre Arbeitsbereiche vorzustellen. Das Pro Aktiv Center habe eine größere Bandbreite zur Verfügung, wenn es um das Finden einer Ausbildungsstelle gehe. Bei der Mobilen Jugendhilfe gehe es eher um die Gründe eines Jugendlichen, warum er nichts findet. Viele Problemlagen der Jugendlichen können auch hier nicht geregelt werden, so dass dann auf andere Organisationen wie z.B. die Schuldenberatung verwiesen werde.

 

Herr Müller-Brandes bedankt sich bei der Stadt für die Zusammenarbeit mit der Diakonie und weist darauf hin, dass es dort viele Jugendliche gäbe, für die die angelaufenen Maßnahmen nicht ins Leere laufen. Auch in die Jugendwerkstätten seien viele Jugendliche gut zu vermitteln.

 

Frau Ethner gibt zu bedenken, dass durch den Besuch des Pro Aktiv Centers im Ausschuss deutlich geworden sei, dass die Zahl der Jugendlichen, bei denen eine Vermittlung in Ausbildungsberufe schwer ist, zugenommen habe. Dadurch entstehe oftmals der Eindruck, dass bei den Jugendlichen kein Interesse bestehe. Dennoch gäbe es natürlich immer Jugendliche, die zwar länger betreut werden müssen, aber ihre Sache durchziehen.

 

Herr Baxmann weist darauf hin, dass den Jugendlichen Perspektiven geschaffen werden müssen. Daher seien Ganztagsschulangebote und begleitende Maßnahmen dringend auszuweiten, weil man hierdurch die Kinder und Jugendlichen zu Zeiten anspricht, in denen sie diese Hilfe noch annehmen und verwerten können.

 

Frau Gersemann erkundigt sich, ob es schon Erfahrungen hinsichtlich des Bauwagens in Dachtmissen gäbe.

 

Herr Witte teilt mit, dass die dortigen Jugendlichen größtenteils in der Jugendfeuerwehr organisiert seien und eine feste Gruppe darstellen. Sie hätten zudem selber für die Ausstattung des Bauwagens gesorgt und mit Eigeninitiative gehandelt. Durch die Größe des Ortes funktioniere dort die soziale Kontrolle durch die Einwohner sehr gut.

 

Frau Gersemann gibt zu bedenken, dass die Standortwahl von Treffpunkten oftmals eine Gratwanderung sei. Die Jugendlichen wollen einerseits für sich sein und auf der anderen Seite mitten in der Stadt. Sie erkundigt sich, ob es bereits Ideen für Standorte gäbe.

 

Herr Strecker teilt mit, dass es noch nichts Konkretes gäbe.

 

Herr Fleischmann fragt nochmals nach, ob die Jugendlichen, die nach erfolgloser Ausbildungssuche in einer sogenannten „Warteschleife“ hängen, auch wieder Chancen hätten.

 

Herr Rühling berichtet, dass die Herkunftsfamilie meist ausschlaggebend ist. In der Schule werde nur das theoretische Wissen vermittelt, aus dem Elternhaus müsste jedoch die seelische Stabilität vorgelebt werden. Wenn die Eltern keine Perspektive vorleben, ist ein nachträglicher „Input“ vielfach erfolglos. Die Jugendlichen hätten dann schlicht keine Lust, zu funktionieren. Fehle das Mindestmaß an Stabilität sei eine intensive Beziehungsarbeit notwendig. Eine Standardmaßnahme könne dies nicht gewährleisten.

 

Herr Baxmann warnt davor, dass der Eindruck entstehe, Horden von jungen Leuten seien fehlsozialisiert. Der Anteil Jugendlicher an einem Jahrgang läge deutlich unter 10 %. Dennoch sei die soziale Entwurzelung natürlich ein wichtiges Thema. Im aktuellen Armutsbericht der Landesregierung sei nachzulesen, dass 29,8 % der hannoverschen Jugendlichen zwischen 1 und 17 Jahren auf Transferleistungen (Sozialgeld, „Hartz IV“) angewiesen seien. Man müsse jedoch immer auch die konkreten Zahlen sehen.

 

Frau Ethner fragt nach, wie umfangreich die Arbeit in der Mobilen Jugendhilfe sei.

 

Herr Rühling teilt mit, dass dies schwer zu beantworten sei. Teilweise begleite er Jugendliche 10 Jahre lang. Es komme mitunter vor, dass er sich einem Jugendlichen 2 bis 3 Stunden widme.

 

Frau Ethner fragt nach den Erfahrungen mit Kindern aus Migrantenfamilien. Ihrer Ansicht nach hätten diese meist einen guten familiären Hintergrund.

 

Herr Rühling führt dazu aus, dass bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund oftmals allein die Herkunft entscheide, ob jemand Chancen auf einen Ausbildungsplatz habe. Bewerbungen würden nach Sichtung des Bewerbungsfotos leider in vielen Fällen sofort wieder verworfen.

 

Frau Meine bestätigt, dass es hier offensichtlich ein Bildungsproblem gäbe. Angebote seien zwar da, würden aber nicht angenommen. Sinnvoll sei es daher, intensive Kraft in Forschung, Erziehung und Schule zu legen, um die Probleme gleich an der Wurzel zu packen. Eine Eins-zu-eins-Betreuung wäre notwendig.

 

Herr Rühling weist darauf hin, dass dies von der Mobilen Jugendhilfe nicht zu leisten sei.

 

Frau Gersemann bedankt sich bei Herrn Rühling und legt abschließend dar, dass die Schule sich insgesamt gewandelt habe. Dort erfolge bereits die enge Zusammenarbeit mit der Arbeitswelt und Berufsberatern der Arbeitsagenturen. Es sei erschreckend, dass vielen Jugendlichen hierdurch dennoch nicht geholfen werden könne. Das gegliederte System der Schulen sollte dringend überdacht werden.